Jedes Jahr zeichnet die Universität Magdeburg die besten Doktoranden aus. Einer von ihnen ist Dr. Seyed Ali Hosseini. Er studierte Chemie und Verfahrenstechnik im Rahmen eines gemeinsamen Promotionsvorhabens mit der Universität Paris-Saclay. Mit uns sprach er über seine Forschung, warum er sich dafür so engagiert und was die Auszeichnung für ihn bedeutet.
Dr. Seyed Ali Hosseini (Foto: privat)
Wie würden Sie einem Laien Ihre Forschung erklären?
Die Möglichkeit der Vorhersage des Ergebnisses physikalisch-chemischer Prozesse ist sowohl in der Technik als auch in der Wissenschaft von großer Bedeutung. Angesichts der Komplexität dieser Prozesse und der vielen Parameter ist es in der Regel unmöglich, sie mit einfachen Modellen richtig zu beschreiben. Oftmals müssen sehr komplexe Modelle verwendet werden. Diese sind nicht gerade billig und erfordern viel Zeit beziehungsweise Rechenleistung. Jede einzelne dieser realistischen Simulationen zur Vorhersage des Ergebnisses eines bestimmten Prozesses kann bis zu mehreren Monaten dauern, was bei vielen Anwendungen verständlicherweise nicht akzeptabel ist.
Nehmen wir als Beispiel ein Thema, das auf wachsendes Interesse stößt: numerische Simulationen zur Unterstützung medizinischer Verfahren und möglicherweise zur Unterstützung von Chirurgen bei der Entscheidung über die beste Vorgehensweise. Es liegt auf der Hand, dass es hier ganz wesentlich auf die Zeit ankommt, und ein oder zweimonatige Simulationen sind relativ uninteressant. Daher ist es von größter Bedeutung, weniger kostspielige und effizientere (aber gleichzeitig genaue) Beschreibungen zu entwickeln. Die in der Dissertation entwickelte und vorgestellte Sammlung numerischer Methoden und Algorithmen ermöglicht eine kostengünstigere und weniger zeitaufwändige Modellierung verschiedener physikalisch-chemischer Prozesse.
Illustration des Strömungsfeldes in einer patientenspezifischen intrakraniellen Aneurysma-Geometrie. Simulation durchgeführt mit ALBORZ von M.Sc. Feng Huang (derzeit Doktorand am LSS).
Welchen Nutzen hat Ihre Forschung für die Menschheit?
Die prädiktive und schnelle Modellierung komplexer Strömungen ist wichtig und betrifft ein sehr breites Anwendungsfeld. Darüber hinaus sind numerische Simulationswerkzeuge aufgrund der erheblich geringeren Kosten zu einer ernsthaften Alternative zu ingenieur und naturwissenschaftlichen Experimenten geworden. Jede neue Methode, die größere und realistischere Simulationen mit vertretbarem Zeit und Kostenaufwand ermöglicht, hilft daher der Grundlagenforschung, ein tieferes Verständnis der Phänomene komplexer Strömungen zu entwickeln und Ingenieuren effizientere Werkzeuge zur Unterstützung des Entwurfs und Entwicklungsprozesses an die Hand geben.
Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet?
Der interessanteste und aufregendste Teil ist, dass dieser noch recht neue Trend bei numerischen Methoden und Algorithmen - der Lattice-Boltzmann-Methode und ihrer vielen Varianten - die Numerik und moderne Herausforderungen auf diesem Gebiet mit grundlegenderen Fragen aus der kinetischen Gastheorie miteinander verbindet. Auch bringt sie grundlegende Fragen wie Hilberts sechstes Problem (Äquivalenz makroskopischer und mesoskopischer Beschreibungen von Materie) wieder ans Licht. Angesichts der Neuartigkeit des Ansatzes und der Tatsache, dass er sich auf mathematische Beschreibungen stützt, die sich grundlegend von makroskopischen Bilanzgleichungen unterscheiden - obwohl sie dasselbe asymptotische Verhalten wiederherstellen -, erschließt er der Forschung darüber hinaus eine neue Sicht auf die verschiedenen Ansätze zur Beschreibung von Strömungen sowie deren Folgen und Grenzen. Das ist meines Erachtens eine Perspektive, die anderen Arbeitsgruppen der numerischen Methodenforschung fehlt.
Warum forschen Sie auf diesem Gebiet?
Auch wenn der Schwerpunkt des größten Teils meiner Arbeit in den letzten drei bis vier Jahren auf numerischen Methoden und Werkzeugen für eine Vielzahl von Anwendungen lag, richtet sich mein Interesse auf grundlegendere beziehungsweise theoretischere Fragen, die mit der korrekten Beschreibung von Strömungen auf verschiedenen Ebenen verbunden sind - insbesondere die mesoskopische Ebene, die sich auf eine probabilistische Beschreibung stützt, wie sie von Maxwell und Boltzmann vorgestellt wurde. Ich hoffe, dass mir die Anwendung derartiger Konzepte in anwendungsorientierten Umgebungen ein besseres Verständnis der Beziehung zwischen der makroskopischen „beobachtbaren“ Welt und probabilistischen Beschreibungsmodellen ermöglichen wird.
Welche Erkenntnis hat Sie bisher am meisten überrascht?
Wissen ist relativ, unabhängig von der eigenen Erfahrung und der Anzahl der Jahre, die man mit einem bestimmten Forschungsthema verbracht hat.
Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?
Es ist mir eine Ehre, von der Fakultät und der Universität für meine Doktorarbeit gewürdigt zu werden. Ich bin für diese Auszeichnung sehr dankbar, zumal ich die äußerst interessante Forschungsarbeit anderer Kollegen in unserer Abteilung, aber auch in anderen Fakultäten kenne.
Wie geht es für Sie weiter?
Zurzeit bin ich Postdoktorand am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH in Zürich. Ich setze meine Arbeit und die Entwicklung von numerischen Methoden für komplexe Strömungen mit Schwerpunkt auf mehrphasigen (flüssigen/gasförmigen) und kompressiblen Strömungen fort.
Darstellung der Strömung im Inneren eines Drallbrenners (Preccinsta-Brenner). Simulation durchgeführt mit ALBORZ.