Dr. Lejla Colic hat an der Fakultät für Naturwissenschaften studiert und gehörte der „CRC 779 Graduate School“ an. Für ihre herausragende Arbeit wurde sie mit dem Promotionspreis der Universität Magdeburg geehrt. Wir sprachen mit ihr über ihre Dissertation, ihre Motivation und ihre Zukunft.
Das CANLAB-Team von Dr. Colic im 7 T-Scanner (v.l.n.r.: Petya Vicheva, Lena Vera Danyeli, Dr. Zümrüt Duygu Sen, Prof. Martin Walter (Leiter), Julia Scheerer, Dr. Lejla Colic / Foto: LIN Magdeburg)
Worum geht es in Ihrer Dissertation?
Depressionen und ähnliche affektive Störungen sind häufige psychische Gesundheitsprobleme, wobei nach einigen Schätzungen einer von sieben Menschen weltweit einmal im Leben eine Depression erleidet. Depressionen können das Leben ernsthaft beeinträchtigen.Leider sprechen nicht alle Menschen auf die gegenwärtigen Behandlungen an, ohne dass wir die Gründe dafür kennen. In meiner Dissertation versuche ich, einige dieser Fragen zu beantworten. Mithilfe der Magnetresonanztomografie als nicht-invasiver Methode zur Untersuchung des menschlichen Gehirns untersuche ich Unterschiede in den Neurometaboliten und der Hirnreaktion zwischen Probanden mit und ohne Depression. Hierbei untersuche ich Hirnveränderungen nach pharmakologischer Behandlung mit Ketamin, einer neuen und vielversprechenden Art von Antidepressiva. Auch konzentriere ich mich auf die Erforschung von Persönlichkeitsmerkmalen oder genetischen Varianten, die Risikofaktoren für die Entwicklung einer Depression oder ähnlicher Störungen sein könnten.
Abbildung: Als prägenualer anteriorer cingulärer Cortex bezeichnete Hirnregion, in der wir Neurometaboliten bei gesunden Probanden und bei Probanden mit schweren depressiven Störungen gemessen haben.
Welchen Nutzen hat Ihre Forschung für die Menschheit?
Der größte Teil der heutigen Forschung basiert auf langjähriger weltweiter Zusammenarbeit. Die Fortschritte beim Verständnis und bei der Behandlung insbesondere komplexer Krankheiten wie psychiatrischen Erkrankungen können oftmals im Nachhinein anerkannt werden. Ich hoffe, dass die Ergebnisse meiner Dissertation dazu beitragen, eine Grundlage für die Erkennung von Biomarkern zu schaffen, die zu Faktoren für Behandlungsentscheidungen und für einen besseren Behandlungserfolg bei Patienten mit schweren depressiven Störungen werden können. Ich freue mich und bin stolz, dass meine Ergebnisse in weitere Forschungsprojekte, eine von der EU geförderte Studie in Jena und eine kombinierte klinische Studie zur Psychotherapie mit Ketamin in Tübingen und Jena, eingeflossen sind.
Warum forschen Sie auf diesem Gebiet?
Ich bin hoch motiviert und freue mich sehr, in der translationalen Forschung zu arbeiten. Ich arbeite gerne in multidisziplinären Teams an herausfordernden Forschungsfragen, die ein breites Wissen erfordern. Ich hatte das Glück, an der Schnittstelle zwischen der Otto-von-Guericke-Universität, dem Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) und der Medizinischen Fakultät der Uni Magdeburg zu arbeiten. Auf diese Weise konnte ich mich laufend über neue methodische Ansätze sowie Erkenntnisse aus der Grundlagen und Tierforschung informieren und mir gleichzeitig den Blick für das Anwendungspotenzial und drängende klinische Fragen bewahren. Das Gebiet ist dynamisch, und vor uns liegen große Herausforderungen, die junge Forscher wie mich motivieren - zum Beispiel der Einsatz von Machine-Learning-Methoden oder der Übergang zur Präzisionspsychiatrie.
Welche Erkenntnis hat Sie bisher am meisten überrascht?
Wenn wir über psychiatrische Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen sprechen, stellen wir uns oft ein einziges Phänomen vor, das vielleicht ein paar Ursachen hat und im Idealfall schnell behandelt werden kann, sobald wir ihre biologischen Ursachen erkannt haben. Die allmähliche Erkenntnis über die Komplexität von psychischer Gesundheit, die Variation der Symptome und der klinischen Manifestation innerhalb einer Störung als Ausdruck der Vielfalt biologischer, familiärer und sozialer Ursachen ist gleichermaßen fesselnd und ehrfurchtgebietend. Auch wenn diese Erkenntnis erfahrenen Wissenschaftlern trivial erscheinen mag, ist es mir wichtig, sie mit der Öffentlichkeit zu teilen, um die Forschungsarbeit zu legitimieren und zu erklären, warum einige Behandlungen bei manchen wirken, bei anderen aber nicht.
Abbildung: Beziehung zwischen Veränderungen von Neurometaboliten und Blutbiomarkern nach Ketamininfusion bei gesunden Probanden.
Was bedeutet die Auszeichnung mit dem Promotionspreis für Sie?
Es gibt jedes Jahr viele hervorragende Wissenschaftler und Dissertationen an der Fakultät, und ich fühle mich daher geehrt und bin froh, dass die Universität die Bedeutung des Themas der biologischen und translationalen Psychiatrie und meiner Arbeit auf diesem Gebiet würdigt. Diese Auszeichnung ist für mich weiterer Ansporn, auch künftig in multidisziplinären Teams auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit zu arbeiten.
Wie geht es bei Ihnen jetzt weiter?
Derzeit bin ich Postdoktorandin im Forschungsprogramm für Stimmungsstörungen an der Yale School of Medicine. Dort vertiefe ich mein Wissen über bipolare Störungen und untersuche Veränderungen des Gehirns mithilfe der Magnetresonanztomografie mit besonderem Schwerpunkt auf Misshandlungen im Kindheits und Jugendalter sowie auf Selbstmordgedanken und verhalten. Ich bin an dem von MQ: Transforming Mental Health finanzierten internationalen Kooperationsprojekt „Help Overcome and Predict the Emergence of Suicide (HOPES)“ beteiligt, in dem wir anhand von Gehirnscans und funktionen Risikofaktoren für Selbstmord bei jungen Menschen mit affektiven und anderen Hirnstörungen identifizieren.