Klimawandel, Glyphosat, Feinstaub und Insektensterben: Wissenschaftliche Erkenntnisse gelangen zunehmend in den Fokus der Politik. Zwei Systeme mit verschiedenen Prinzipien, Mehrheitsbeschaffung versus Faktenlage. Doch die Währung in den Machtzentralen sind gern auch „alternative Fakten“, die Interpretationsspielräume bieten. Wie gefragt sind wissenschaftliche Erkenntnisse in der Politikberatung überhaupt? Welchen Einfluss können sie auf die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft haben? Ist Politikberatung notwendig UND auch erfolgreich? Katharina Vorwerk hat darüber mit Prof. Dr. Michael Böcher vom Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Nachhaltige Entwicklung der Universität Magdeburg gesprochen.
Herr Professor Böcher, Sie erforschen unter anderem, wie Politik nachhaltig agieren kann. Basiert der Wissenstransfer in Parlamente, Landtage und Gemeinderäte hinein auf freiwilligem Zuhören der Legislative oder gibt es verbindliche Prozesse?
Wissenschaftliche Politikberatung ist unterschiedlich geregelt. Es existieren Sachverständigengremien wie die „Wirtschaftsweisen“ oder der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen. Daneben gibt es zahlreiche wissenschaftliche Institutionen, wie die Leibniz- oder Helmholtzgemeinschaft, die auch in der Politikberatung aktiv sind. Eine Fülle an privat oder öffentlich finanzierten „Think Tanks“ ergänzt die Politikberatungslandschaft. Eine Sonderform wissenschaftsbasierter Politikberatung stellen die Ressortforschungseinrichtungen dar, die im Geschäftsbereich einzelner Ministerien angesiedelt sind, in Sachsen-Anhalt zum Beispiel das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau.
Welche Bedeutung haben Universitäten wie unsere in der Politikberatung und was macht deren Rolle aus?
Universitäten spielen eine wesentliche Rolle, denn deren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sitzen entweder in solchen Gremien oder leisten nicht zuletzt durch mediale Präzenz Politikberatung. Ellen Matthies ist ein gutes Beispiel dafür: Sie ist an unserer Universität Professorin für Umweltpsychologie und zugleich Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung. Darüber hinaus sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen von Forschungsprojekten politikberatend tätig. So untersuchen wir derzeit – vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert – politische Prozesse in der Bioökonomie, also der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Ökologie im Rahmen einer bio-basierten Wirtschaft. Teil des Auftrages ist es auch, Hinweise zu liefern, die künftig in die Bioökonomiepolitik der Bundesregierung einfließen sollen.
Was ist, wenn sich Forschungsergebnisse nicht mit politischen Zielen decken? Jüngstes Beispiel im Land ist die Kontroverse zu Aussagen eines Ökonomen über den Strukturwandel im Kohlerevier. Das stieß bekanntermaßen in der Politik auf wenig Gegenliebe.
Hier treffen wissenschaftliche Prinzipien auf politische Logik. Während die Wissenschaft auf der Basis ihrer Methoden von der Politik unabhängige Ergebnisse und Empfehlungen für die Politik produzieren kann und soll, müssen diese jedoch noch lange nicht politisch umgesetzt werden.
In einer Demokratie herrscht kein Sachzwang, wissenschaftliche Erkenntnisse auch politisch zu nutzen. Die Frage, welchen Konzepten man folgt, wird in Demokratien immer politisch entschieden, die Wissenschaft hat hier kein alleiniges Mandat, Entscheidungen zu präjudizieren. Am Ende sind es die politischen Akteure, die die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen müssen, während die Wissenschaftler für die Anwendung ihrer Erkenntnisse nicht politisch „abgestraft“ werden können. Nur Politiker sind durch Wahlen demokratisch legitimiert. Die von Ihnen angesprochenen Aussagen des Kollegen Reint Gropp zur Stärkung der Metropolen zu Lasten des ländlichen Raums, mögen einer rein ökonomischen Logik folgend, sinnvoll sein, aus politikwissenschaftlicher Sicht aber kritisch, da mit ihnen große Konflikte vorprogrammiert wären, die die Politik aus meiner Sicht nicht in Kauf nehmen sollte.
Politik ist der Kampf um Werte und Interessen in Bezug auf bestimmte Probleme. Diese politischen Entscheidungen können nicht durch Wissenschaft einfach wegrationalisiert werden.
Klimawandel oder Insektensterben, Schulbildung oder Gesundheitsvorsorge: Wissenschaftler fordern an vielen Stellen ein radikales Umdenken. Doch ökonomische Zwänge und in Legislaturen bemessene Machtinteressen scheinen Nachhaltigkeit, wissenschaftliche Expertise und langfristigen Nutzen stets in die Schranken zu weisen?
Eine grundsätzliche, auch in meiner Forschung breit diskutierte, aber leider nicht wirklich gelöste Frage! Die Suche nach einer Antwort ist ein Dauerbrenner in der politikwissenschaftlichen Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung. Einige Vorschläge wurden schon in den 1990er Jahren entwickelt. So zum Beispiel der, unabhängige Institutionen einzuführen, die mit Veto-Rechten ausgestattet, politische Entscheidungen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitswirkungen ablehnen können. Die Idee des Wahlrechts für Kinder und Jugendliche weist auch in die Richtung, in adäquater Form, Zukunftsinteressen besser in heutigen Entscheidungsprozessen zu repräsentieren.
Es gibt aber durchaus Erfolge in der Klimapolitik. So wurde das Pariser Klimaabkommen beschlossen. Auch wenn es hier entscheidend auf konkrete Maßnahmen einzelner Staaten ankommt und noch viel zu tun ist. Klimapolitische Maßnahmen sind wieder stärker in die politische Debatte gelangt. Man muss sich hier immer vor Augen halten, dass es bei diesen Fragen um einen grundsätzlichen Strukturwandel geht, der – leider – nicht so schnell vonstatten geht, wie man sich das wünschen mag. Wichtig ist, nachhaltigkeitsbezogene politische Lösungen an die heutigen Interessen politischer Akteure anzudocken. Bei den Erneuerbaren Energien ist das – auch in Sachsen-Anhalt – ganz gut gelungen, weil dabei eine Branche entstanden ist, die Arbeitsplätze schaffen und sichern kann.
Buch von Prof Böcher und Max Krott (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
Vor 70 Jahren entstand unser Grundgesetz mit dem Artikel 5, der besagt: „Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Niemals wieder sollte Wissenschaft von Machtinteressen geleitet werden dürfen. Haben Forschende dennoch eine Pflicht, ihren Erkenntnisgewinn auf Bedürfnisse von Politik und Gesellschaft auszurichten?
Die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre in Deutschland ist gerade vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen in Deutschland ein Gut, das nicht hoch genug geschätzt werden kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen unabhängig von jedweder Einflussnahme die in ihrer Disziplin relevanten wissenschaftlichen Fragen bearbeiten dürfen. Natürlich im Rahmen festgelegter ethischer oder rechtlicher Grenzen. In diesem Sinne wird natürlich die Forschung auch auf die demokratischen Maßstäbe der Gesellschaft hin ausgerichtet.
Auch im Sinne wissenschaftlicher Politikberatung ist die Unabhängigkeit der Wissenschaft wichtig: Es muss möglich sein, auch unpopuläre Erkenntnisse zu übermitteln, ohne Gefahr zu laufen, dafür Konsequenzen zu erleiden. Um beim Beispiel des Ökonomen Reint Gropp zu bleiben: Seine wissenschaftliche Unabhängigkeit und die des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle gewährleistet, auch Positionen wissenschaftlich zu vertreten, die Landespolitiker nicht schätzen.
Angriffe auf diese Wissenschaftsfreiheit finden aber nicht nur in Diktaturen, sondern auch in westlichen Demokratien statt:
- In den USA wurde die bekannte Umweltbehörde, die „Environmental Protection Agency“, die für Regulierungen im Umwelt- und Klimaschutz zuständig ist, mit wirtschaftsfreundlichen Führungskräften neu besetzt und bestehende Umweltvorschriften massiv gelockert.
- In der Türkei werden nicht auf politischer Linie liegende Wissenschaftler verfolgt.
- Und in Ungarn die politisch missliebige Gender-Forschung quasi abgeschafft.
- In Deutschland ist die Forschung zunehmend von Drittmitteln abhängig, und es gibt durchaus auch politische Kräfte, die zum Beispiel die Gender- oder die Klimaforschung angreifen.
- Darüber hinaus macht es die Prekarisierung der wissenschaftlichen Beschäftigungsverhältnisse gerade den jungen Männern und Frauen in der Wissenschaft schwerer, wirklich unabhängig zu forschen.
Meine persönliche Erfahrung zeigt mir, dass ich zwar trotz jahrelanger Beschäftigung in drittmittelgeförderten Projekten nie das Gefühl hatte, zu abhängig von einzelnen Projektmittelgebern zu sein, aber erst seit der Übernahme meiner Professur hier in Magdeburg besitze ich die Möglichkeit, völlig frei von Themenkonjunkturen und Drittmitteln auch langfristige Themen zu bearbeiten.
Bundesbildungsministerin Karliczek fordert von der Wissenschaft, sich besser zu erklären, um Vertrauen zu schaffen. Können Forschende diesen Wissenstransfer in die Gesellschaft hinein überhaupt leisten?
Diese Forderungen halte ich für populistisch. Erstens ginge mit dieser Art „Integrationstätigkeiten“ eine generelle Überforderung der Wissenschaft einher, die folgerichtig mit entsprechend neuen Finanzierungs- und Honorierungssystemen, die solche Kommunikations- und Erklärungstätigkeiten stärker honorieren, flankiert werden müssten. Zweitens unterstellen solche Forderungen, dass Wissenschaft, die sich nicht ständig der Öffentlichkeit „erklärt“, keine gesellschaftliche Relevanz hätte und, dass praxisrelevante Wirkungen immer unmittelbar und zeitnah erzeugt würden.
Beispiele aus der Wissenschaftsgeschichte oder der Politikberatung sprechen hier jedoch eine andere Sprache. So wurde die Existenz des Ozonlochs durch Klimawissenschaftler innerhalb des „Normal“-Wissenschaftssystems bereits 1974 nachgewiesen – und fand erst Jahre später im „Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht“ 1987 eine politische Entsprechung. Oft dauert es Jahre bis Jahrzehnte, bevor wissenschaftliche Lösungen zur Anwendung gelangen. Unmittelbar weiß man gar nicht immer, welche praktischen Wirkungen wissenschaftliche Erkenntnisse haben können und wann diese eintreten.
In der Klimapolitik liegen z.B. seit langem die entsprechenden Prognosen auf dem Tisch, zudem gibt es zahlreiche wissenschaftsbasierte Vorschläge zu politisch wirksamen Instrumenten, beispielsweise einer CO2-Steuer, die bereits seit den 1990er Jahren diskutiert wird und deren grundlegende, wohlfahrtstheoretische Basis gar aus den 1920er Jahren stammt. Hier wäre es absurd zu behaupten, die Wissenschaft erkläre sich zu wenig – es ist vielmehr der politische Prozess mit seinen Macht- und Interessenkonflikten, der hier nicht zu den entsprechenden klimapolitischen Maßnahmen führt. Die Forderungen verfolgen meines Erachtens auch das Ziel, den Schwarzen Peter von der Politik auf die Wissenschaft zu schieben, um eigene politische Verantwortlichkeiten zu verschleiern.
Der Klima- und Umweltschutz macht wohl künftig Einschnitte in liebgewonnene persönliche Freiheiten notwendig. Können aber in auf der Freiheit des Individuums basierenden Demokratien wie Deutschland unpopuläre Maßnahmen wie Flugverbote politisch umgesetzt werden?
Eingriffe in die persönliche Freiheit des Bürgers erfordern immer einen besonderen Rechtfertigungszwang, über den demokratisch entschieden werden muss. So muss ständig geprüft werden, ob diesen vermeintlich der guten Sache dienenden und sinnvollen Freiheitsbegrenzungen nicht auch weitere, kritischer zu sehende Freiheitsbegrenzungen politisch angestrengt werden. So gibt es eine wissenschaftliche Diskussion darüber, ob zum Beispiel China oder Singapur durch ihre autoritären politischen Systeme und ihre durchaus vorhandenen Erfolge in der Umweltpolitik ein Beispiel dafür abgeben, dass für Klimaschutz und Nachhaltigkeit auch mehr staatliche Autorität – und weniger Bürgerfreiheiten – vertretbar und nötig seien.
Ich sehe zum Beispiel für den Flugverkehr keine realistische Möglichkeit, Verbote einzuführen, da er wirtschaftlich zu wichtig ist und in Teilen auch alternativlos. Was die innerdeutschen Flüge angeht, halte ich eine Erhöhung der Abgaben auf Kerosin durchaus für sinnvoll, um die Flüge gegenüber anderen Verkehrsmitteln unattraktiver zu machen. Laut Umweltbundesamt besitzt der innerdeutsche Flugverkehr aber nur einen Anteil von 0,3 Prozent an allen CO2-Emissionen Deutschlands. Eine nationale Lösung würde hier also wenig bringen. Viel wichtiger wäre es, am gesamten Verkehrssystem anzusetzen und dringend eine zumindest europäische Lösung zu finden. Hier liegen Konzepte für wirkungsvolle politische Instrumente vor, wie CO2-Steuern oder das europäische Emissionshandelssystem, die entsprechend schärfer ausgestaltet werden müssten.
Prof. Böcher mit Arbeitsgruppe (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
Gibt es ein Akzeptanzproblem der Wissenschaft in Deutschland und wenn ja, woraus resultiert es?
Ich glaube nach wie vor, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler grundsätzlich über ein gutes Ansehen in der Bevölkerung verfügen, auch, wenn aus der Forschung unbequeme Vorschläge kommen, die nicht allen gefallen. Was fehlt, ist aber ein breites Verständnis, wie Wissenschaft funktioniert. Dass Dissens und Kontroversen in der Wissenschaft an der Tagesordnung sind, verunsichert Bürgerinnen und Bürger, insbesondere bei medial getriebenen Themen, wie zum Beispiel Glyphosat. Auch Plagiatsaffären, die Aufdeckung wissenschaftlichen Fehlverhaltens und nicht selten lautes Herausposaunen vermeintlicher wissenschaftlicher Durchbrüche sorgen nicht unbedingt für mehr Akzeptanz der Wissenschaft in der Gesellschaft. Einzelfälle beschädigen den Ruf ganzer Disziplinen. Wir brauchen also zum einen mehr Aufklärung der Bevölkerung über Prinzipien der Wissenschaft, aber auch mehr Selbstverantwortung bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst.
Welche Rolle spielen die Medien in diesen Prozessen um Akzeptanz und Meinungshoheit?
Die Medien spielen hier oft eine sehr große Rolle! Leider wird aber gerade, wenn es um diffizile innerwissenschaftliche Auseinandersetzungen geht, oft zu vereinfachend und skandalisierend berichtet. Das hilft nicht zwingend bei der Meinungsbildung und wirft auch nicht immer ein gutes Licht auf die Wissenschaft, aber auch nicht auf die Medien. Andererseits wäre der Aufschwung der deutschen Umwelt- und Klimapolitik in den 1980er und 1990er Jahren ohne die „Agenda-Setting-Funktion“ der Medien kaum denkbar gewesen.
In Demokratien werden Probleme politisch gelöst, entscheidet nicht die rein wissenschaftliche Datenlage, sondern die gesellschaftliche Debatte. Wird damit ein konsequenter Umweltschutz unmöglich, sprich: Können Demokratien konsequent nachhaltig agieren?
Wissenschaftler übernehmen keine politische Verantwortung dafür, sollten sich ihre Erkenntnisse als falsch herausgestellt haben; sie müssen sich und ihre Lösungen nicht demokratischen Abstimmungen stellen. Darum können wissenschaftsbasierte Entscheidungen nur durch die Politik im Rahmen demokratischer Prozesse getroffen werden. Denn je nach politisch vertretenen Ideen und Werten sowie ethischen Aspekten können wissenschaftliche Lösungen unterschiedlich interpretiert und bewertet werden – rein wissenschaftlich können politische Fragen also gar nicht beantwortet werden.
Politik ist durch Machtgewinn und Machterhalt geprägt. Politiker müssen häufig dann Entscheidungen treffen, wenn die Situation dafür günstig ist, zum Beispiel gerade eine Wahl gewonnen wurde oder die Stimmung in der Bevölkerung gerade passt. Beim Klimaschutz sieht momentan die politische Lage durch die Fridays-for-Future-Demos und die Ergebnisse der Europawahl besser aus als in der Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise, auch wenn sich an der wissenschaftlichen Grundlage dazu in den letzten Jahren nicht viel geändert hat.
Es muss klar sein, dass Wissenschaft und Politik in einer Gesellschaft unterschiedliche Rollen wahrnehmen, auf unterschiedlichen Prinzipien basieren und politische Entscheidungen naturgemäß auf der Basis einer Kombination von Werten, Ideologien und Fakten, aber keineswegs nur auf letzteren beruhen. Oft können Politiker nicht so lange warten, bis ein Problem in all seinen Facetten wissenschaftlich untersucht ist und entscheiden unter Unsicherheiten. Wissenschaft hingegen ist idealtypisch betrachtet ein fortlaufender, offener Prozess der nie abgeschlossenen Wahrheitssuche.
Letztendlich geht es darum, im politischen Diskurs um Zustimmung für Nachhaltigkeitslösungen zu werben und Mehrheiten zu gewinnen, dann kann eine Demokratie auch nachhaltigkeitsfähig sein.
Wann ist Politikberatung erfolgreich und: Welche erfolgreichen Beispiele gelungener Politikberatung gibt es?
Denkt man, dass Wissenschaft der Politik eindeutige Rezepte anbieten könne, die dann eins zu eins umgesetzt werden, dann müsste Politikberatung als wenig erfolgreich angesehen werden. Dieses sogenannte, aus meiner Sicht aber unrealistische, „lineare Politikberatungsmodell“ wird trotz aller Probleme nach wie vor diskutiert. Realistischer und durch unsere eigenen Forschungen in zahlreichen empirischen Studien belegt, ist hingegen die Vorstellung, dass die Wissenschaft politischen Akteuren Lösungen in Form von Alternativen und Prognosen anbieten kann, über die dann politische Entscheidungen auf der Basis zugrundeliegender politischer Überzeugungen und Interessen getroffen werden.
Den aus unserer Sicht entscheidenden Zwischenschritt zwischen Forschung auf der einen Seite und der Anwendung wissenschaftsbasierter Erkenntnisse auf der anderen Seite nennen wir in unserem Politikberatungsmodell "Integration“. Für klimapolitische wissenschaftsbasierte Maßnahmen wäre derzeit die schon angesprochene Fridays-for-Future-Bewegung ein solcher Bündnispartner in der Integration, dem es gelingt, politischen Einfluss zu gewinnen, so dass am Ende vermutlich klimapolitische Maßnahmen ergriffen werden.
Historisch betrachtet, gab es aber gerade in der Umwelt- und Klimapolitik durchaus große Erfolge der Politikberatung:
- Der Entdeckung von Umweltproblemen, des menschengemachten Klimawandels oder des Ozonlochs folgten zahlreiche entsprechende politische Entscheidungen.
- Nachdem zum Beispiel wissenschaftlich erwiesen wurde, dass Asbest Krebs erzeugt, wurde der Einsatz des Baustoffs in der EU verboten.
- Auch die Regulierung des Tabakkonsums wurde strenger, nachdem wissenschaftlich gesundheitliche Schäden bewiesen waren.
- Aktuell führen wissenschaftliche Erkenntnisse zum Impfen oder zur nicht nachweisbaren Wirksamkeit der Homöopathie zu politischen Diskussionen über entsprechende politische Lösungen, wie die Einführung einer Impfpflicht oder der Wegfall der Erstattung homöopathischer Arzneimittel durch die Krankenkassen.
Solche politischen Debatten und Entscheidungen wären ohne Wissenschaft und ihre Beratung undenkbar.
Herr Professor Böcher, vielen Dank für das Gespräch!