Die Coronakrise war bzw. ist noch immer eine herausfordernde Ausnahmesituation: Homeschooling, Kontaktsperren und Anordnungen zu Verhaltensweisen haben unseren Alltag deutlich verändert. Doch was bewirken diese Veränderungen beim Menschen? Werden wir einsamer? Unzufriedener? Wie gut können wir die Vorgaben der Regierung akzeptieren? Und vor allem: Wie kommen wir gut durch die Krise. Drei Wissenschaftlerinnen der Uni Magdeburg haben sich mit diesen und weiteren Fragen rund um die Coronakrise intensiv beschäftigt. Nun sind die ersten Ergebnisse ihrer Studie erschienen.
Herausforderung Homeschooling?
Studie von Prof. Dr. Raphaela Porsch
Prof. Dr. Raphaela Porsch ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Allgemeine Didaktik am Institut für Bildung, Beruf und Medien im Bereich Erziehungswissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Schul- und Unterrichtsforschung, Allgemeine Didaktik, Lehrerbildung, Professionsforschung und Fremdsprachenforschung.
Prof. Dr. Raphaela Porsch (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
„Die Corona-Krise verlangte von allen Menschen viel ab, viele mussten von zuhause aus arbeiten, Schulen werden geschlossen. Eltern standen plötzlich vor völlig neuen Herausforderungen. In meiner bundesweiten Studie habe ich untersucht, wie Eltern mit der Herausforderung Homeschooling umgehen, welche Art von Unterstützung sie von den Grundschulen ihrer Kinder erhalten und ob sie sich durch die Situation belastet fühlen oder Angst um die schulischen Leistungen ihrer Kinder haben. Ziel der Studie war es, Einflüsse auf das individuelle Erleben, insbesondere Beanspruchung und Angst aber auch Begeisterung bei der Lernbegleitung von Müttern und Vätern zu ermitteln“, erklärt die Wissenschaftlerin den Hintergrund ihrer Befragung.
Wer hat mitgemacht?
Vom 25. März bis 25. April 2020 haben Eltern aus dem gesamten Bundesgebiet teilgenommen. Es ist bisher die größte Befragung im deutschsprachigen Raum, die sich auf Erleben von Homeschooling durch Eltern bezieht. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren. Im Mittel haben sie zwei Kinder.
Die Ergebnisse
- Häufigkeit Kontakt zu Lehrkräften
- Unterstützung
Insgesamt fühlten sich 900 der Befragten „schlecht“ von der Schule ihres Kindes bzw. ihrer Kinder unterstützt; 562 fühlten sich „sehr gut“ unterstützt . Der Rest hat keine Angaben gemacht. - Emotionales Erleben
Eltern erlebten die Situation unterschiedlich. Belastung, Angst aber auch Begeisterung beim Homeschooling zeigt sich in allen Ausprägungen. Nicht alle Eltern waren gestresst.
Ob sich Eltern gestresst fühlten, hing von der Unterstützung der Schule, der Kompetenzeinschätzung der Eltern sowie der Situation zuhause (Anzahl der schulpflichtigen Kinder und der Arbeitssituation) ab. War die Unterstützung der Schule gut und hatten die Eltern das Gefühl, den Kindern auch selbst etwas beibringen zu können, war die Belastung deutlich niedriger – und das unabhängig von der häuslichen Situation.
Eltern, die meinten, dass sie selbst hohe Kompetenzen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht/-kunde besitzen, machte Homeschooling auch Spaß, unabhängig davon, welches Angebot die Schulen dazu machten.
Weniger Angst in dieser Situation empfanden vor allem Eltern mit einem hohen Bildungshintergrund.
Wie kommen wir durch die Krise?
Studie von Emily Bauske (M.Sc.)
Emily Bauske ist seit April 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin in der Abteilung Sozial- und Persönlichkeitspsychologie. Sie studierte an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Psychologie mit dem Schwerpunkt Umweltpsychologie. Nach dem Abschluss 2015 war sie in Projekten zu den Themen „Energieeffiziente Stadt“, „Nachhaltige Außerhausgastronomie“ und „Umweltbewusstsein in Deutschland von 1996 bis 2018“ tätig. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Verhaltensrelevanz von Meinungsaussagen.
Emily Bauske (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
„Die Corona-Krise war und ist eine Ausnahmesituation, die einmalige Einblicke in das Erleben und Verhalten von Menschen in Krisensituationen bietet. Die Ergebnisse meiner Studie sollen zeigen, welche Herangehensweisen am effektivsten dafür sorgen, dass die Bevölkerung die einschneidenden Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen kurzfristig akzeptiert und unterstützt: Ist dies eher durch das Hervorheben von persönlichen Gesundheitsaspekten oder durch das Verstärken normativer Botschaften, also klaren Verhaltensaufforderungen, möglich? Langfristig könnten die Ergebnisse auch auf künftige Krisen, wie die Klimakrise, angewendet werden,“ erklärt die Nachwuchswissenschaftlerin.
Wer hat mitgemacht?
Zwischen dem 22.03. und 11.05. haben bundesweit 1.414 Frauen (71%) und Männer (28%), im Alter von 16 bis 87 Jahren (Durchschnittsalter: 33 Jahre) mitgemacht.
Die Ergebnisse
- Ich fühle mich durch die Corona-Krise ...
- Welche Maßnahmen und Anweisungen haben welche Akzeptanz?
70% der Befragten akzeptierten die vorgeschlagenen Eindämmungsmaßnahmen und setzten 75% der Verhaltensempfehlungen um. Akzeptanz und das Umsetzen hängen dabei zusammen, d.h. jemand, der mehr Maßnahmen akzeptiert, wird auch mehr Handlungsempfehlungen umsetzen und umgekehrt. - Wie beeinflussen die Einstellung zur eigenen Gesundheit und das soziale Pflichtgefühl die Akzeptanz von Maßnahmen und das Umsetzen der Verhaltensempfehlung?
Die nicht-repräsentative Umfrage ergab, dass die Bevölkerung sowohl durch Hinweise auf die individuelle Gesundheit als auch auf den Gemeinsinn zum angepassten Verhalten motivieren könnte. Da die Effekte unabhängig voneinander wirken, lohnt es sich, sowohl an die Gesundheitseinstellung als auch an die gesellschaftliche Verpflichtung zu appellieren.
Macht die Kontaktsperre unglücklich?
Studie von Prof. Dr. Heike Ohlbrecht
Prof. Dr. Heike Ohlbrecht ist Lehrstuhlinhaberin für Allgemeine Soziologie/Mikrosoziologie. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Wandel der Arbeitswelt und Auswirkungen auf die Gesundheit; Soziale Ungleichheit, soziale Desintegration und Gesundheit; qualitative Gesundheitsforschung.
Prof. Heike Ohlbrecht (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
„Der reduzierte Kontakt zu Freunden und Familie, aber auch die Arbeit im Homeoffice und die Betreuung von Kindern haben unseren Alltag erheblich verändert und nicht zuletzt unser Wohlbefinden beeinflusst. Mit der Online-Befragung habe ich untersucht, wie sich die Zeit der Kontaktsperre in der Folge der Corona-Pandemie auf die Gesundheit und die Alltagsbewältigung auswirkt. Ziel ist es, Risikolagen und besondere Bedarfe zu identifizieren und mehr über die Konsequenzen des social distancing zu erfahren. Die Forschungsergebnisse können dazu dienen, für die Zukunft zu lernen und besser auf Krisen dieser Art vorbereitet zu sein. Als zentrale Ergebnisse können wir feststellen: Die Corona-Pandemie hat negative Auswirkungen auf die subjektive Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Die Kontaktsperre führt zu Belastungen. Ebenso sind Gefühle von Angst und Einsamkeit wesentlich stärker ausgeprägt als vor der Pandemie,“ so Prof. Ohlbrecht.
Wer hat mitgemacht?
Die nichtrepräsentative Online-Befragung fand vom vom 14.04. bis 03.05.2020 statt. 60% der Teilnehmenden sind unter 40 Jahre. 71% sind Frauen, 28% Männer und 1% divers.
Die Ergebnisse
- Subjektive Gesundheit
Die Umfrage zeigt, dass sich die Einschätzung des subjektiven Gesundheitszustandes seit der Corona-Pandemie verschlechtert hat. Der Anteil derjenigen, die ihren Gesundheitszustand als gut bzw. sehr gut einschätzt, nimmt im Verlauf der Covid19-Pandemie um 10 % ab. - Belastungen
Die allgemeinen Belastungen werden in der Zeit der Kontaktsperre als hoch empfunden. Bei den Frauen ist der Anteil derjenigen, die unter einer starken bis sehr starken Belastung leiden, im Vergleich zu den Männern um 9 % höher. Im Vergleich zur Situation vor der Pandemie nehmen Stress- und Erschöpfungssymptome ab, wohingegen Einsamkeit, Angst (das Gefühl von Angst verdoppelt sich) sowie Existenzsorgen zunehmen. Insbesondere das Gefühl von Sicherheit ist bedroht. - Lebenszufriedenheit
Auch die allgemeine Lebenszufriedenheit der Teilnehmenden ist im Zuge der Corona-Pandemie gesunken. Vor der Pandemie bestätigen 81,2%, zufrieden bzw. sehr zufrieden mit ihrem Leben zu sein, wohingegen die allgemeine Lebenszufriedenheit während der Pandemie um 21,6% auf 59,6% sank. Auf die Frage, wie oft das Gefühl von Glück bei Ihnen vor bzw. nach Ausbruch der Pandemie auftrat, sehen wir nun eine Verdopplung derjenigen, die sich nie/selten glücklich fühlen (15,4 %, 38 % fühlen sich manchmal und 46,6 % oft/sehr oft glücklich). - Verschwörungserzählungen
Durch die Pandemie nahmen Verschwörungstheorien, die die Corona-Pandemie als zumeist globale Verschwörung interpretieren zu. So gehen bspw. 22,1% der Befragten davon aus, dass der Bevölkerung wichtige Informationen über das Corona-Virus vorenthalten werden. 19,6% Teilnehmer*innen vertrauen auf alternative Informationsquellen, wenn sie sich über Corona informieren.