Hohe Lasten und geringe Effekte - das sind die Ergebnisse, wenn man Energiepolitik betreibt, die die ökonomischen Zusammenhänge nicht berücksichtigt. Das sagt der Ökonom. Für die Politik zählen jedoch nicht nur ökonomische Erwägungen, sondern viele andere Interessen, die im demokratischen Prozess miteinander abgewogen werden. Das sagt der Politikwissenschaftler. In einem Gastbeitrag erklären Prof. Weimann und Prof. Böcher ihre Positionen einer erfolgreichen Energiewende.
„Kosteneffizienz!“ sollte auf den Transparenten stehen!
Die Rolle der Wirtschaftswissenschaft in der Klimadebatte besteht darin, gut geeignete Instrumente der Klimapolitik zu entwickeln. Aber wann sind Instrumente besonders gut geeignet? Sie sind es dann, wenn sie Klimapolitik kosteneffizient betreiben. Um zu verstehen, warum das wichtig ist, hilft der folgende „Dreisatz“: Erstens müssen wir möglichst viel CO2 vermeiden, zweitens wissen wir, dass CO2-Vermeidung Kosten verursacht und drittens wissen wir, dass wir für die Vermeidung von CO2 nur eine endliche Menge von Ressourcen zur Verfügung haben. Daraus folgt, dass wir nur dann gute Klimapolitik betreiben, wenn wir die Kosten pro vermiedener Tonnen CO2 minimieren bzw. die eingesparte Menge CO2 bei gegebenem Ressourceneinsatz maximieren. Genau das ist Kosteneffizienz. Betreiben wir Klimapolitik, die nicht kosteneffizient ist, bedeutet das, dass wir mit den Mitteln, die wir einsetzen, mehr CO2 hätten einsparen können, wenn wir es denn kosteneffizient gemacht hätten. Anders ausgedrückt: Kosteneffizienz sichert, dass wir für die Opfer, die wir bringen, den maximal möglichen Klimaschutz bekommen.
Prof. Dr. Joachim Weimann (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
So weit, so klar, so konsensfähig. Leider auch: so unbekannt und so missachtet. Eigentlich müsste bei jedem klimapolitischen Instrument die Frage nach der Kosteneffizienz ganz am Anfang stehen. Leider fehlt sie in der Regel komplett. In Deutschland stehen wir zum Beispiel dem Emissionshandel sehr skeptisch gegenüber – dabei sichert er eine kosteneffiziente und zielgenaue Reduktion von CO2. Andererseits lieben viele Menschen und fast alle Politiker und Journalisten das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Es stört sie dabei nicht die Bohne, dass beides im höchsten Maße ineffizient ist.
Ein paar Zahlen zum Beleg:
- Zwischen dem Jahr 2000 (dem Geburtsjahr des EEG) und 2017 gingen die CO2-Emissionen im Energiesektor (nur dort wirkt das EEG) um circa 82 Millionen Tonnen zurück. Dabei sind der Anstieg des Stromverbrauchs, die Energieeffizienzgewinne in den konventionellen Kraftwerken und der Atomausstieg berücksichtigt (Weimann 2019).
- Legt man als Kosten nur die Zusatzkosten der Erneuerbaren zugrunde (also das, was über die Stromentstehungskosten hinausgeht), kommt man auf einen Preis pro Tonne von etwa 280 Euro.
- Im gleichen Zeitraum wurden im Emissionshandelssektor 557 Millionen Tonnen eingespart, zu Kosten von 7 Euro pro Tonne.
Auf seinem YouTube-Kanal "Nur mal kurz" erklärt Prof. Weimann verschiedene Aspekte der Klimapolitik aus ökonomischer Sicht.
Ein anderes Beispiel. Es wird gegenwärtig viel darüber diskutiert, ob Elektroautos CO2 einsparen oder nicht. Überhaupt nicht diskutiert wird die Frage, ob es eine kluge Entscheidung ist, mit Hilfe von E-Autos CO2 einzusparen. Dazu folgende Überlegung:
- Wenn man im Emissionshandelssektor zurzeit eine Tonne CO2 einsparen will, kostet das 25 Euro.
- Wenn ein E-Auto im Laufe seines Lebens 10 Tonnen einspart, dann darf das E-Auto maximal 250 Euro teurer als der Verbrenner sein, denn wenn man einen Verbrenner kauft und für 250 Euro Emissionsrechte stilllegt, hat man die gleiche Einsparung wie durch das E-Auto erreicht.
- Die Bundesregierung fördert den Erwerb von Elektroautos aber mit 6.000 Euro und die Hersteller räumen noch einmal einen Rabatt von 3.000 Euro ein, um die Mehrkosten im Vergleich zu einem Verbrenner auszugleichen.
- Mit anderen Worten, gemessen an diesen Mehrkosten müsste ein E-Auto so viel CO2 einsparen wie etwa 14 Diesel-PKW in ihrem Leben ausstoßen.
Ob mit einem E-Auto nun 10 Tonnen oder 20 Tonnen eingespart werden, ist angesichts dieser Zahlen nicht wichtig. Klar ist, dass es kaum eine teurere Methode geben dürfte, CO2-Emissionen zu sparen, als die, Elektroautos zu bauen. Obwohl diese Überlegungen sehr einfach und leicht nachzuvollziehen sind, werden sie in der öffentlichen Diskussion nicht angestellt. Es interessiert niemanden, dass wir mit unserer Art Klimapolitik zu betreiben, eine horrende Verschwendung von Ressourcen veranstalten und zukünftige Generationen um einen wirksamen Klimaschutz bringen. Darum sollte „Kosteneffizienz!“ auf den Transparenten von Fridays for Future stehen – und auf denen von Science for Future erst recht.
Prof. Dr. Joachim Weimann
Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik
Klimapolitik muss auch politisch durchsetzbar sein!
Aufgabe der Politikwissenschaft ist es, klimapolitische Prozesse mit ihren politischen Akteuren (wie Parteien, Industrieverbänden und Umweltbewegungen, z.B. Fridays for Future) zu analysieren und klimapolitische Ergebnisse zu erklären. Dabei trifft die Politik ihre Entscheidungen nicht ausschließlich anhand ökonomischer Logik. Vielmehr basiert die Auswahl klimapolitischer Instrumente auf den drei Kriterien „ökologische Wirkung“, „ökonomische Effizienz“ und „politische Durchsetzbarkeit“ (Böcher 2012).
Klimawissenschaftler und -wissenschaftlerinnen und Fridays for Future kritisieren dabei, dass die Klimapolitik nicht ökologisch genug ausgestaltet ist: So sind Flugreisen nach wie vor günstig, obwohl das Fliegen sehr CO2-intensiv ist. Verbote und höhere Abgaben würden jedoch nicht bei allen Wählerinnen und Wählern auf Gegenliebe stoßen. Zudem beklagen Ökonomen schon lange, dass die Klimapolitik nicht dem Ideal ökonomischer Effizienz folgt, also volkswirtschaftlich zu teuer ist. Insbesondere das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG gerät hier – wenn auch unter Energieökonominnen und -ökonomen umstritten – häufig ins Zentrum der Kritik, da die dabei erzielten klimapolitischen Effekte mit viel zu hohen Kosten erreicht würden.
Prof. Michael Böcher (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
Ausschließlich ökologische oder ökonomische Betrachtungen sind jedoch unzureichend, um politisch getroffene Entscheidungen verstehen und bewerten zu können: In unserer pluralistischen Demokratie kann die Politik nicht einfach klimapolitische Instrumente durchsetzen, die bestimmten „first best“-Lösungen entsprechen. So bestehen bereits in der Wissenschaft Kontroversen darüber, was die besten klimapolitischen Instrumente überhaupt sind: Soll man aus ökologischer Sicht auf technologischen Fortschritt setzen („ökologische Modernisierung“) oder eher auf Suffizienz und Rückbau („De-Growth“)? Stellen Förderungen von E-Mobilität und erneuerbarer Energietechnik nicht auch innovationsfördernde und arbeitsplatzsichernde Industriepolitik dar, die Probleme einer kurzfristigen ökonomischen Ineffizienz rechtfertigen können?
Politik folgt nicht einer „eindeutigen“ wissenschaftlichen Empfehlung, sondern muss immer auf der Basis von Unsicherheiten und politischen Interessen Abwägungen treffen. Denn neben wissenschaftlich umstrittenen – eher „technischen“ Aspekten – kommen in der Politik noch ideologische Fragen hinzu: Atom- und Kohleausstieg sowie die Förderung erneuerbarer Energien sind politisch aufgeladene, kontroverse Themen. Schon seit den 1980er Jahren stieß die Atomkraft auf immer weniger Zustimmung in der deutschen Bevölkerung. Mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima war klar, dass die Idee von CDU und FDP, auf Atomkraft als klimapolitische Brückentechnologie zu setzen, keine Durchsetzungschance in der Bevölkerung mehr hat. Zu den neueren klimapolitischen Themen gehört die verstärkte Förderung von E-Mobilität, von der man sich in Deutschland auch einen Schub für die Automobilindustrie erhofft. Selbst wenn das E-Auto klimapolitisch nicht sinnvoller als klassische Verbrenner oder Dieselfahrzeuge sein sollte – die nicht nur in Deutschland steigende Zahl an Neuzulassungen zeigt, dass geschilderte Aspekte einer „politischen Rationalität“ bei der Entwicklung dieser Instrumente eine große Rolle spielen.
Setzt man zur Analyse klimapolitischer Instrumente die politikwissenschaftliche Brille auf, wird klar, dass neben ökologischen oder ökonomischen Logiken die politische Durchsetzbarkeit eine zentrale Rolle spielt: Parteien wollen wiedergewählt werden und setzen klimapolitische Instrumente mit möglicherweise zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten durch, die nicht in kürzester Zeit zu einschneidendsten Verhaltensänderungen führen. Immerhin können diese aber umgesetzt werden, weil nur sie überhaupt mehrheitsfähig sind – denn die für unsere Demokratie typischen und wichtigen Aushandlungsprozesse zwischen verschiedensten Interessen führen am Ende immer zu politischen Kompromissen. Unter dem Aspekt der schwierigen „politischen Durchsetzbarkeit“ betrachtet, erscheinen klimapolitische Instrumente dann häufig in einem anderen, mitunter positiveren Licht.
Prof. Dr. Michael Böcher
Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Nachhaltige Entwicklung