„Mein Ziel ist es, mich als gute und aktive Forscherin zu beweisen“, erzählt Olha Sukhanova. Die 25-Jährige ist Doktorandin an der Fakultät für Maschinenbau der Uni Magdeburg und an der Universität „Kharkiv Polytechnik Institute“ in der Ukraine. Sie ist nach Magdeburg gekommen, um ihre Doktorarbeit zu schreiben und wird in Magdeburg von Prof. Holm Altenbach und Prof. Konstantin Naumenko und in Charkiw von Prof. Oleksiy Larin betreut. „Ich bin meinen Betreuern sehr dankbar, da sie alles tun, um mich zu unterstützen und zu helfen“, so die Wissenschaftlerin. Momentan fällt es ihr jedoch schwer, sich auf ihre Forschungsarbeit zu konzentrieren, „aber ich habe mir ein Ziel gesetzt, und als zielstrebiger Mensch gehe ich darauf zu“, sagt sie. In ihrer Doktorarbeit untersucht die junge Wissenschaftlerin den Spannungs- und Dehnungszustand von sogenannten Verbundgläsern bei einem Aufprall. Verbundgläser sind Glaslaminate, die aus mindestens zwei Glasschreiben bestehen und durch eine klebefähige Zwischenschicht aus Kunststoff verbunden sind. Sie werden zum Beispiel als Sicherheitsglas für Frontscheiben von Fahrzeugen aller Art oder im Baubereich eingesetzt. „Ziel meiner Forschung ist es, mathematische Modelle für Verbundglas zu erarbeiten und Berechnungsansätze für die Analyse seiner dynamischen Verformung und Schädigung im Betrieb zu entwickeln. Zudem führe ich theoretische Studien durch, um Regelmäßigkeiten im Einfluss äußerer und innerer Parameter auf die Festigkeit und Zuverlässigkeit des Glases zu erkennen“, erläutert Olha Sukhanova. Das Ziel ist also, Schäden oder die Zerstörung des Verbundglases vorhersagen und so vorbeugen zu können. Am Ende, so hofft sie, wird ihre Forschung Anwendung in der Industrie finden. „Aber dafür muss ich noch viel arbeiten.“
In den zurückliegenden Wochen sind ihre Gedanken aber immer wieder in der Heimat. „Im Moment denke ich viel an meine Familie, an Kolleginnen und Kollegen und an meine Freunde, die gerade jeden Tag unter Beschuss sind“, erzählt sie. „Ich stehe in ständigem Kontakt mit meinen Kollegen und Freunden in der Ukraine und ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr es mich schmerzt, dass meine Heimatstadt Charkiw nur noch eine Ruine ist.“ Jeden Tag verfolge sie die Nachrichten aus der Ukraine mit großem Entsetzen. Um mit der Situation zurecht zu kommen, trifft sie sich oft mit ihren Freunden, die sie in Magdeburg gefunden hat und tauscht sich mit ihnen aus. „Das hilft mir, mich von den Gefühlen und Gedanken abzulenken“, so die Wissenschaftlerin.
Aber Olha Sukhanova hilft auch selbst aktiv bei einer Vielzahl von Freiwilligenprojekten in Magdeburg mit. „Ich bemühe mich sehr, jenen zu helfen, die mit ihren Familien und vor allem mit kleinen Kindern nach oder durch Magdeburg reisen. Ich treffe mich mit ihnen, finde einen Platz zum Übernachten und alles, was sonst noch nötig ist. Ich werde weiterhin mein Bestes tun, um ihnen zu helfen“, erzählt sie. Probleme gäbe es vor allem bei der Registrierung der Menschen aus der Ukraine. „Es wäre eine große Unterstützung, wenn schneller geklärt würde, welche Dokumente notwendig sind.“ Generell herrscht ihrer Meinung nach aber in Magdeburg eine hilfsbereite Atmosphäre: Viele Spendenaktionen wurden ins Leben gerufen. Viele Menschen engagieren sich freiwillig, um Ukrainerinnen und Ukrainern in dieser schweren Zeit zu helfen. „Ich bin den deutschen Behörden, der Stadt Magdeburg und auch der Uni Magdeburg sehr dankbar für ihre klare Haltung zur Unterstützung der Studierenden aus der Ukraine und derjenigen, die gezwungen sind, als Geflüchtete nach Deutschland zu kommen und ihr Heimatland, wo der Krieg tobt, verlassen mussten“, sagt die 25-Jährige.
Olha Sukhanova möchte sich neben ihrem Engagement auch weiterhin auf ihre Doktorarbeit konzentrieren, auch wenn es im Moment schwerfällt: „Ich will schnell meine Doktorarbeit beenden und für die Gesellschaft nützlich sein: Die Wissenschaft voranbringen, zur Entwicklung der Wirtschaft beitragen und mein Wissen in der Praxis anwenden können.“ Und für die nahe Zukunft wünscht sie sich Frieden in ihrem Land. „Ich möchte irgendwann nach Hause in die Ukraine zurückkehren. Ich wünsche mir einfach, dass der Krieg bald zu Ende ist.“