Es ist das entscheidende Spiel des Lieblingsvereins, die Stimmung im Stadium kocht und die Fans sind Feuer und Flamme. Der Kommentator, die Kommentatorin sind aber einfach nicht mit Herzblut dabei und können bei der Berichterstattung nicht überzeugen. Warum sollte man sich die Kommentierenden nicht selbst aussuchen können oder sogar selbst das Spiel für andere Fans kommentieren?
Mit der App mycrocast, von zwei Alumni der Uni Magdeburg entwickelt, geht das tatsächlich. Marcel Heße, der BWL an der Uni Magdeburg studiert hat und leidenschaftlicher Sportfan ist, stellte sich 2017 genau diese Fragen. Daraus entstand die Idee, eine Plattform zu schaffen, auf der man sich die Kommentatoren eines Spiels selbst aussuchen kann oder selbst einer werden kann. Nach ersten Gesprächen mit dem Transfer- und Gründerzentrum der Uni Magdeburg war klar, dass die Umsetzung nicht leicht werden würde. Das Zentrum koordiniert nicht nur den Wissens- und Technologietransfer der Uni, sondern hilft in allen Phasen des Gründungsprozesses von Start-Ups. Dem Magdeburger fehlte ein Entwickler, denn „mit meinem BWL-Background weiß ich vielleicht, wie man einen Markt adressieren kann, aber ich habe nicht die technischen Fähigkeiten dazu,“ so Marcel Heße rückblickend.
Gründer von Mycrocast (c) privat
Also begab er sich auf gängigen Karriereportalen auf die Suche und fand mit Sven Beeckmann, der wiederum Informatik an der Uni Magdeburg studierte, den passenden Mitbegründer. Der Thüringer ist zwar selbst kein Sportfan, fand die Umsetzung der Idee allerdings spannend und begann dann recht schnell, den ersten Prototypen zu entwickeln. Die jungen Männer steckten neben ihren Vollzeitjobs ihr ganzes Herzblut und einiges an Eigenkapital in das Projekt. Fördermittel gaben dem Gründerteam dann die Möglichkeit, ihre Jobs aufzugeben und sich Vollzeit um mycrocast zu kümmern.
Inzwischen hat die App namenhafte Kunden wie den DFB, das Fußballmagazin „kicker“ den 1.FC Magdeburg oder die UEFA. Das neuste Feature der kostenlosen App sind Diskussionsräume, in denen sich Fans auch tagelang nach dem Spiel miteinander austauschen können. Die beiden Unternehmer haben aber noch sehr viel mehr mit dem Social-Audio-Streaming-Dienst vor. „Unsere Vision ist es, das Instagram für Audio zu werden. Eine Plattform, wo man Inhalte sowohl erstellen als auch konsumieren kann. Das kann im Sport oder auch ganz anderen Bereichen sein. Wir wollen mycrocast zu einem großen Audio Netzwerk aufbauen“, so Marcel Heße. Auch über ein Abo-Modell ohne Werbeunterbrechungen denken die beiden nach. Die Technologie soll für die Konsumenten aber grundsätzlich kostenfrei bleiben. Sportvereinen sollen so die Möglichkeit haben, eigene Sponsoren einzubinden, denn „so haben Klubs und Verbände die Möglichkeit, sogar Zusatzeinnahmen zu generieren. Sie verkaufen Werbeplatz gewinnbringend an ihre Sponsoren, tun ihren Fans was Gutes, verdienen Geld damit und sie steigern unseren Markenauftritt“, erklärt Heße.
Damit jeder Sportbegeisterte mit dem Lieblingsverein mitfiebern kann, hat sich das Gründerteam intensiv mit der Inklusion von sehbehinderten Menschen auseinandergesetzt. Da visuell eingeschränkte Menschen allerdings andere Anforderungen an die Bedienbarkeit einer App haben, gab es nur zwei Optionen, erzählt Sven Beeckmann: „Entweder wir arbeiten die mycrocast App komplett um oder wir entwickeln nochmal eine separate App. Wir haben uns dann dafür entschieden, eine separate App zu entwickeln, Raydio.“ Um die neue App so bedienungsfreundlich wie möglich zu gestalten, haben die Gründer auch mit dem Blindenverband Sachsen-Anhalt zusammengearbeitet. Die Mühen haben sich gelohnt, denn die Software war zuletzt bei jedem Spiel der Fußball-Europameisterschaft der Frauen 2022 im Einsatz. Zudem erhielten Marcel Heße und Sven Beeckmann für Raydio den Nachhaltigkeitsaward der größten Sport- und Businessmesse Europas. Das Interesse an der neuen App sei so groß, dass darüber nachgedacht wird, sie auch in anderen Bereichen wie etwa bei Kulturveranstaltungen oder in Theatern anzubieten. An einer Optimierung arbeiten die erfolgreichen Absolventen der Uni Magdeburg weiterhin mit Hochdruck.