Forschende und Ärzte benötigen umfassende Daten, um neue Erkenntnisse über Erkrankungen zu gewinnen. Das Teilen vielfältiger Gesundheitsdaten ist daher enorm wichtig. Mit der Corona-Pandemie und der Gründung des bundesweiten Netzwerks Universitätsmedizin hat das Thema eine neue Relevanz bekommen. Die Universitätsmedizin Magdeburg baut ihre Arbeit in dem bundesweiten Netzwerk weiter aus, um auch künftigen Krisen besser zu begegnen. Alle 36 deutschen Universitätskliniken – darunter auch die Universitätsmedizin Magdeburg – arbeiten seit April 2020 gemeinsam in dem bis dato einmaligen Netzwerk Universitätsmedizin (NUM). Zukünftig soll diese Zusammenarbeit über den COVID-19-Schwerpunkt hinausgehen.
Das Netzwerk wurde mit dem Ziel geschaffen, aus den Erfahrungen in der Behandlung von COVID-19-Erkrankten voneinander zu lernen, um schnellstmöglich neue Behandlungsstrategien und -konzepte für eine bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten zu entwickeln, Infektionen zu verhindern und gleichzeitig die Gesundheitsversorgung in Deutschland auszubauen. Das NUM wird bis Juni 2025 mit bis zu 390 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und durch die Charité – Universitätsmedizin Berlin koordiniert. Die Universitätsmedizin Magdeburg ist an einer ganzen Reihe von Forschungs- und Infrastrukturprojekten beteiligt.
„Die Vielfalt von Projekten innerhalb des NUM liefert ein enormes Innovationspotenzial und damit verbunden auch die Chance, nachhaltige Strukturen zu etablieren, die durch kooperative Forschung auch über den COVID-19-Schwerpunkt hinaus Wirksamkeit entfalten sollen. Der Fokus liegt dabei auf der klinik- und versorgungsnahen Forschung, deren Ergebnisse direkt Patientinnen und Patienten zugutekommen und in das Krisenmanagement einfließen sollen“, erläutert Prof. Dr. Achim Kaasch, Leiter des NUM am Standort Magdeburg. Ein beispielgebendes Projekt sei dabei das in Magdeburg und Aachen entwickelte AKTIN-Notaufnahmeregister. Es soll nun als eine von fünf der inzwischen etablierten bundesweiten Infrastrukturen durch das BMBF weiter gefördert werden.
Das von Prof. Dr. Felix Walcher geleitete Projekt AKTIN schafft eine bis dato einzigartige Dateninfrastruktur, ein Notaufnahmeregister, das eine schnelle und evidenzbasierte tagesaktuelle Datenbereitstellung aus der Notfallbehandlung ermöglicht. Seit März 2020 wurden die bereits bestehende Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut intensiviert und täglich Echtzeitdaten zur Lage in deutschen Notaufnahmen während der COVID-19-Pandemie übermittelt. Aktuell sind 52 Notaufnahmen – auch aus nicht-universitären Kliniken – am AKTIN-Notaufnahmeregister angebunden und stellen ihre Daten bereit. Jährlich werden so Daten von über einer Million Notfallbehandlungen für die Gesundheitsberichterstattung, Qualitätssicherung und Versorgungsforschung zugänglich gemacht.
Die Universitätsmedizin Magdeburg ist seit dem Start des NUM an verschiedenen Projekten im Bereich der kontinuierlichen Überwachung von Erkrankungen (Surveillance), Testung und Pandemiemanagement beteiligt.
Aus diesen Teilprojekten heraus entwickelte sich für die zweite Förderperiode ab 2022 das Projekt PREPARED. Dieses Projekt wird am Standort Magdeburg von Prof. Dr. Dr. Christian Apfelbacher geleitet.
- Die Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin ist unter Leitung von Prof. Dr. Alexey Surov in das Projekt RACOON, eine bundesweite Infrastruktur zur strukturierten Erfassung radiologischer Daten von COVID-19-Fällen, eingebunden. Das ist weltweit einmalig und ermöglicht mit derzeit 14.400 Lungenbefunden eine einheitliche Auswertung der Bilddaten für eine verbesserte Diagnostik.
- Das Datenintegrationszentrum der Universität Magdeburg ist unter der Leitung von Dr. Tim Herrmann am Projekt CODEX beteiligt. Dabei handelt es sich um eine Datenplattform für COVID-19-Forschungsdaten, die neue wissenschaftliche Auswertungen ermöglichen soll.
- Seit Herbst 2021 ist Magdeburg auch am Projekt NAPKON beteiligt. NAPKON steht für Nationales Pandemie Kohorten Netz, vereint bundesweite klinische Daten von COVID-19-Patienten inklusive Bioproben und Bildgebung und bezieht dabei fast 70 Partner aus allen Gesundheitssektoren ein. Mit der Datenauswertung einer solch großen Kohorte können beispielsweise auftretende Virusvarianten besser untersucht werden.
Darüber hinaus sind weitere pandemieassoziierte Themen, wie z. B. der vielfältige Einfluss der Pandemie auf Kinder, Gegenstand von zukünftigen Verbundprojekten. „Dennoch sind auch in Zukunft neue Ideen gefragt, die sich im Rahmen der bundesweiten Forschungsinfrastruktur besser und effizienter umsetzen lassen“, erklärt Prof. Kaasch. Dabei fungiert die lokale Magdeburger Stabsstelle des NUM, koordiniert von Dr. Ute Bank, als Schnittstelle zwischen der zentralen Koordinierungsstelle des NUM an der Charité, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Standort in Magdeburg sowie den weiteren lokalen Stabsstellen anderer Universitätsmedizinstandorte. „Die Zusammenarbeit von so vielen Beteiligten innerhalb eines Netzwerks dieser Größe hat es bis dato noch nie gegeben und ist eine enorme Herausforderung. Das NUM hat in Rekordzeit neue Erkenntnisse verfügbar gemacht, dennoch sind viele Fragen rund um das Corona-Virus nach wie vor ungeklärt. Wenn uns das strukturierte Zusammenführen von Wissen allerdings gelingt, sind wir künftig in der Lage, schneller, schlagkräftiger und besser vorbereitet reagieren zu können“, betont Dr. Bank. Das Netzwerk biete demnach noch weiteres, nicht ausgeschöpftes Potenzial. „Auch über COVID-19 hinaus könnte die deutschlandweite, koordinierte Forschung Vorteile bringen. Vorstellbar wäre das zum Beispiel bei selten vorkommenden Erkrankungen oder auch, um das Problem der Antibiotikaresistenzen anzugehen.“