Der digitale Wandel verändert die Forschungslandschaft nachhaltig, prägt zunehmend den Alltag der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber stellt die Forschungsgemeinschaft auch als Ganzes vor große Herausforderungen. Auch an der Uni Magdeburg werden Infrastrukturen etabliert, die Forscherinnen und Forschern helfen sollen, den digitalen Wandel effizient zu nutzen. Vor einigen Wochen hat zum Beispiel Dr. Wolf Zinke als Koordinator für Forschungsdatenmanagement seine Arbeit aufgenommen und wird künftig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei unterstützen, die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung in allen Stufen ihrer Forschungsarbeit einzusetzen. Unisprecherin Katharina Vorwerk hat ihn auf dem Campus getroffen und ihn zu seiner Arbeit, seinen Vorstellungen und Zielen befragt.
Herr Dr. Zinke, was macht Daten zu Forschungsdaten?
Daten werden zu Forschungsdaten, wenn sie entweder die Grundlage für Forschung darstellen oder aber im Verlauf des Forschungsprozesses entstehen. Wir unterscheiden zwischen analogen, real physischen und digitalen Daten. Das Forschungsdatenmanagement, kurz FDM, betrifft hauptsächlich die Handhabung digitaler Daten, aber auch die Überführung analoger Objekte in eine digitale Form. Digitale Daten zeichnen sich dadurch aus, dass auf sie gleichzeitig von mehreren Personen von überall her zugegriffen werden kann und sie beliebig oft kopiert werden können. Diese Eigenschaften verdeutlichen, dass ein gutes FDM notwendig ist, um die Entwicklung der Datensätze nachzuvollziehen und diese mit anderen zu teilen, zum Beispiel in Kollaborationen oder für eine weitere Nachnutzung. Forschungsdaten umfassen eine unglaubliche Vielfalt von Datentypen, angefangen von experimentellen Messreihen, aber auch Ergebnisse von Analysen bis hin zum Programmcode, der für die Analysen und Simulationen verwendet wird. Auch die Informationen zu wissenschaftlichen Publikationen selbst können als Forschungsdaten aufgefasst werden.
Die Notwendigkeit von Forschungsdatenmanagement ist also ein Ergebnis des digitalen Wandels denn es wird eine forschungsunterstützende Informationsinfrastruktur benötigt, die eine exzellente Forschung begleitet.
Für wen sollten Forschungsdaten wie zugänglich sein?
Fördermittelgeber und Fachzeitschriften erwarten zunehmend eine Veröffentlichung von Daten, damit eine transparente und reproduzierbare Wissenschaft gefördert wird. Aber entscheidender ist, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erkennen, wie wichtig es für ihre eigene Arbeit ist, Datensätze in einer gut strukturierten und kurierten Form nachhaltig zu speichern. Sie machen die Daten für andere auffindbar, zugänglich und weiterverwertbar, indem siein ihrem Forschungsalltag die FAIR-Prinzipien berücksichtigen. Vielen ist dieses Akronym bekannt, das für diese Eigenschaften steht: Findable, Accesible, Interoperable und Re-Usable. Die Umsetzung dieser Eigenschaften bedarf allerdings einer systematischen Einbindung von Metadaten, die eine Suche der Daten erlauben, die die Formen des Zugangs und ihrer Handhabung klären und auch Informationen wie Lizenzen zu ihrer weiteren Nutzung festlegen.
Das effiziente Forschungsdatenmanagement einer Arbeitsgruppe erleichtert nicht nur die eigene Arbeit innerhalb der Gruppe, sondern fördert auch den Austausch von Daten in größeren Verbundprojekten. Für einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn wird es perspektivisch wichtiger, bestehende Datensätze zusammenzuführen. Grundsätzlich erleben wir mit der Digitalisierung aktuell einen unglaublichen Wandel in der Wissenschaft, bei der die Forschungsdaten eine zentrale Rolle spielen. Als Universität Magdeburg übernehmen wir Verantwortung, diesen Wandel aktiv mitzugestalten und für Transparenz und Offenheit zu sorgen.
Was macht die Kuratierung der Daten zur Herausforderung?
Zum einen gibt es im Moment ein sehr unübersichtliches Überangebot an Diensten und Tools. Das macht es schwer, die relevanten Optionen zu identifizieren, die auch den Datenanforderungen gerecht werden. Zum anderen muss die Notwendigkeit eines effizienten FDM bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verankert werden. Früher war es ausreichend, dass der Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin seine bzw. ihre Daten nachvollziehen und auf Anfragen anderen zur Verfügung stellen konnte. Inzwischen erlauben neue Technologien, Forschungsdaten effektiv auszutauschen und in anderen Kontexten wieder zu verwenden. Das führt nicht nur zu einer besseren Reproduzierbarkeit und Transparenz der Forschung, sondern auch zu neuen Forschungsansätzen und -ideen, die erst durch die Zusammenführung von Datenmengen entstehen.
Was ist Ihre Rolle als Koordinator für das Forschungsdatenmanagement der OVGU?
Forschungsdatenmanagement ist eine Informationsinfrastruktur, die auf Kommunikation und Vernetzung aufbaut. Als Koordinator muss ich einen generellen Überblick haben und Akteure zusammenbringen, relevante Informationen weiterleiten und so eine unterstützende Rolle einnehmen. Zudem muss ich mit den Bedarfen an der OVGU vertraut sein, um passende Angebote für Workshops und Schulungen zu organisieren. Da es auch darauf ankommt, Daten mit anderen Institutionen zu teilen, müssen Leitlinien und rechtliche Absicherungen erarbeitet werden. Ferner gehört es zu meinen Aufgaben, nationale und internationale Vernetzungen mit Initiativen und Organisationen wie der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), Research Data Alliance (RDA) und European Open Science Cloud (EOSC) aufrechtzuerhalten, nicht zuletzt, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben, unsere Interessen einzubringen und neue Entwicklungen direkt umzusetzen.
Wo steht die Uni Magdeburg beim FDM?
Die OVGU hat als Profiluniversität ihren Fokus auf bestimmte Forschungsgebiete gelegt und hat in diesen Bereichen sowohl hervorragende Forscherinnen und Forscher gewonnen als auch starke Kollaborationen mit externen Forschungspartnern etabliert. Dabei spielt das FDM bereits eine wichtige Rolle, was wiederum eine optimale Voraussetzung dafür ist, ein gutes FDM zu etablieren und als Uni eine richtungsgebende Rolle einzunehmen. Die OVGU hat auf jeden Fall das Potenzial, hier Zeichen zu setzen und die Entwicklung in ihren Schwerpunkten nachhaltig zu prägen. Ein effizientes FDM baut auf der guten Zusammenarbeit verschiedener Akteure auf, z.B. der Uni-Bibliothek, des Uni-Rechenzentrums oder der Graduate Academy. Die OVGU hat hier sehr engagierte und kollaborative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um ein ausgezeichnetes FDM aufsetzen zu können.
Wo wollen wir wann sein?
Aktuell kann ich nur für mich sprechen und formulieren, welche Vision ich mit meiner Tätigkeit verfolge: Für mich ist ein gutes Forschungsdatenmanagement und eine offene Datenkultur nicht nur ein Schlüssel für exzellente Forschung und interessante Kollaborationen, sondern auch eine wichtige Komponente im Kontext von Open Science. Als Profiluniversität bringt die Uni Magdeburg beste Voraussetzungen mit, bei den Themen Open Science und Digitalisierung in den Bereichen Bildung und Forschung Zeichen zu setzen. Entsprechend ist es mein Ziel, in den kommenden fünf Jahren dafür zu sorgen, dass an der OVGU nicht nur zusammen die Welt neu gedacht wird, sondern dass sie dabei auch offen und FAIR gedacht wird.
Was werden Ihre nächsten Schritte auf diesem Weg sein?
Ein erster und sehr wichtiger Schritt ist, am Forschungsstandort Magdeburg eine Community für Forschungsdatenmanagement zu etablieren. Wir brauchen keine Doppelstrukturen und stetiges Neuerfinden des Rades, sondern müssen die Kompetenzen und Ressourcen lokal bündeln und gemeinsam Prinzipien entwickeln. Der zweite Schritt wird eine engere Vernetzung mit Aktivitäten und Initiativen über Magdeburg hinaus sein. Zum Beispiel hat die OVGU gerade den Mitgliedsantrag bei der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur NFDI eingereicht, um sich in die Prozesse dort intensiv einzubringen und an nationalen Entwicklungen mitzuarbeiten. Wir benötigen an der Uni Magdeburg eine maßgeschneiderte Unterstützungsstruktur für die Forscherinnen und Forscher. Um einen Überblick über den Status Quo zu erhalten und eine Strategie zu entwickeln, werde ich in den kommenden Wochen viele Gespräche führen und eine Bedarfsumfrage auf den Weg bringen.
Welche Entwicklungen im FDM werden in den kommenden Jahren wichtig werden?
Zur Zeit gibt es viele technologische Entwicklungen, die den Umgang mit Forschungsdaten betreffen, insgesamt wird die Bedeutung der Daten und deren Nachnutzbarkeit immer größer werden. Dabei werden Infrastrukturen eine zentrale Rolle spielen. Das sind zum einen Dateninfrastrukturen, die Speicher und Rechenkapazität betreffen. Hier wird es wohl eine Entwicklung weg von lokalen Lösungen hin zu sogenannten Data Spaces geben, die einen gesicherten Austausch von Daten erlauben werden. Hier kann als Beispiel der European Health Data Space genannt werden, oder auch das Gaia-X Projekt, das eine dezentrale Lösung für einen interoperablen, aber auch sicheren Austausch von Daten verfolgt.
Zusätzlich werden sich Informationsinfrastrukturen weiter etablieren, die einen intensiven Austausch der verschiedenen Akteure gewährleisten, und so dazu beitragen, dass es standardisierte Lösungen für Forschungsdaten geben wird, die einen institutsübergreifenden, ja internationalen Austausch erleichtern und so die Effizienz der wissenschaftlichen Zusammenarbeit deutlich erhöhen werden. Hier wird die Entwicklung der EOSC und der NFDI wichtig sein. Die NFDI befindet sich noch in der Aufbauphase und wird derzeit evaluiert, ich gehe aber stark davon aus, dass die NFDI nach 2028 verstetigt wird. Die NFDI wird damit eine zentrale Rolle für die weiteren Entwicklungen bei der Etablierung und Umsetzung von Standards bei Metadaten, Datenformaten, Policies und dergleichen einnehmen. Daher ist es besonders wichtig, dass wir uns jetzt aktiv an der NFDI beteiligen. Solche Entwicklungen machen deutlich, dass künftig vermehrt Kompetenzen im Bereich des FDM benötigt werden. Darum müssen perspektivisch entsprechende Studiengänge entwickelt werden, beziehungsweise das Thema früh in das Curriculum der Studierenden eingebaut werden. Mit der Anerkennung solcher Kenntnisse wird sich ein neues Berufsfeld in der Forschung weiterentwickeln, nämlich für diejenigen, die den technischen Support liefern, um ein gutes FDM nachhaltig vor Ort umzusetzen.
Das klingt nach intensiver Arbeit an der OVGU. Freuen Sie sich darauf?
Glücklicherweise kenne ich den Campus ja schon. Bereits vor über zehn Jahren war ich als PostDoc an der OVGU beschäftigt, bevor ich einen mehrjährigen Aufenthalt an der Vanderbilt University in den USA hatte. Dort habe ich Forschungsgruppen dabei geholfen, lokale Infrastrukturen für die Datenaufnahme, -speicherung und -analyse aufzubauen. Von Vanderbilt aus bin ich dann wieder nach Magdeburg ans Leibniz-Institut für Neurobiologie zurückgekehrt, bevor ich eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Referent in der Geschäftsstelle der NFDI aufgenommen hatte.