Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg unterstützen die Landespolizei Sachsen-Anhalt zusätzlich zu den intern konzipierten und durchgeführten wissenschaftlichen Projekten dabei, den Gebrauch rassistischer und diskriminierender Sprache zu erkennen und ihm zu begegnen. Initiiert vom Ministerium für Inneres und Sport und in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt hat das Team der Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung AlGf am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik in den vergangenen Monaten Weiterbildungsangebote konzipiert, die auf einen rassistischen Sprachgebrauch aufmerksam machen und helfen sollen, diskriminierende Stereotypen zu erkennen und gegebenenfalls angemessen damit umzugehen.
Nach Pilot-Workshops im April und Mai 2023 werden nun seit Juni Workshops in sämtlichen Dienststellen des Landes Sachsen-Anhalts durchgeführt. „Das Format zielt darauf, das Bewusstsein der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für gewaltvollen Sprachgebrauch zu schärfen und sie für den Umgang damit zu sensibilisieren“, erläutert Kathrin Hamann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der AlGf. Dabei stehe der Anspruch im Vordergrund, die sprachwissenschaftliche Expertise mit den praktischen Erfahrungen und Herausforderungen der Polizistinnen und Polizisten so in den Austausch zu bringen, dass eine für die Polizeiarbeit tatsächlich relevante Orientierung entstehen könne, so Hamann weiter. „Die ersten Workshops bestätigen unseren Ansatz: Erst dadurch, dass in den Workshops unsere linguistische Expertise mit der realen Polizeiarbeit zusammenkommt, entstehen fruchtbare Lösungsansätze.“
Weiterbildung soll bei Rassismusvorwürfen helfen
„Polizeibeamtinnen und -beamte stehen seit Jahren vermehrt im Fokus einer Debatte, die sich um oft sehr pauschale Rassismusvorwürfe gegen die Polizei, die Aufdeckung rassistischer und rechtsextremistischer Mitglieder der Polizei und Verletzungen des Neutralitätsgebots der Beamtinnen und Beamten im Einsatz dreht“, beschreibt der Leiter der Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung, Prof. Kersten Sven Roth, den Ausgangspunkt des Projekts. „Aus einer wachsenden Aufmerksamkeit für diskriminierenden Sprachgebrauch und Stereotypisierungen entstehen für die Polizistinnen und Polizisten Herausforderungen, da sie als Gruppe angesprochen werden und sich selbst zu diesen Diskursen verhalten und positionieren müssen.“ Dabei handele es sich oft um emotional geführte Debatten, an der sich viele Gruppen mit unterschiedlichen Zielen beteiligten, so Roth weiter. „In der öffentlichen Wahrnehmung sind solche sprachkritischen Debatten fast immer diskursive Schlachtfelder, auf denen im Kern ideologische Kämpfe geführt werden. Damit sind sie ein ganz typisches Arbeitsfeld für die linguistische Gesellschaftsforschung.“ Es gebe im Übrigen keine gesellschaftliche Herausforderung, bei der Sprachgebrauch nicht eine zentrale Rolle spiele und linguistische Expertise nicht gefragt sei. „Diese Expertise wollen wir in der Arbeitsstelle durch den Wissenstransfer aus der Universität heraus ganz gezielt dorthin bringen, wo sie benötigt wird“, so Kersten Sven Roth.
Die wissenschaftliche Kooperation zwischen der Universität Magdeburg und der Fachhochschule Polizei, die auf Initiative des Ministeriums für Inneres und Sport zustande gekommen ist, läuft nach längerer Vorbereitung seit April 2023 und ist zunächst auf zwei Jahre angelegt.
Die Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung an der Universität Magdeburg bietet sprachwissenschaftliche Expertise zur Analyse gesellschaftlicher Themen. In Form von Studien, Beratungstools und Schulungsprogrammen untersucht sie Sprache, um Gesellschaft zu verstehen. Dabei arbeitet sie sowohl eigenständig als auch gemeinsam mit Kooperationspartnern. Die AlGf hat eigene Forschungsschwerpunkte, versteht sich aber in erster Linie als themenoffene Transferstelle für alle, die gesellschaftliche Probleme verstehen wollen und lösen müssen.