Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat im bundesweiten Wettbewerb um Exzellenzcluster eine wichtige Hürde genommen: Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) soeben mitteilte, wurde die in der Verfahrenstechnik angesiedelte Forschungsinitiative SmartProSys von einem internationalen Expertengremium ausgewählt, sich im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder mit einem Vollantrag für eine Millionenförderung ab 2026 zu bewerben. Die endgültige Förderentscheidung wird im Mai 2025 fallen, bevor die Clusterförderung dann Anfang 2026 für zunächst sieben Jahre starten würde.
Mit der Exzellenzstrategie stärken Bund und Länder seit 2007 die universitäre Spitzenforschung. Gefördert werden Exzellenzcluster zu bestimmten Forschungsfeldern und Exzellenzuniversitäten als strategische Unterstützung herausragender Standorte. Ab 2026 stehen dafür insgesamt 687 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung.
Smart Process Systems for a Green Carbon-based Chemical Production in a Sustainable Society, kurz SmartProSys, ist eine gemeinsame Forschungsinitiative der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und des Max-Planck-Institutes für Dynamik komplexer technischer Systeme. Der Forschungsverbund arbeitet daran, Ansätze und Verfahren für eine künftige nachhaltige kohlenstoffbasierte Chemieproduktion zu entwickeln.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen dafür fossile Rohstoffe durch erneuerbare Kohlenstoffquellen ersetzen und energieintensive Prozessketten zu vollständig geschlossenen Kreisläufen umgestalten. Ziel ist eine chemische Industrie, die auf biogenen Rest- und Abfallstoffen sowie recycelten Kunststoffen basiert und deren Prozesse ausschließlich mit erneuerbaren Energien gespeist werden.
Das geplante Antragsvolumen von SmartProSys umfasst ca. 45 Millionen Euro über einen Förderzeitraum von 7 Jahren. Eine Verlängerung um 7 weitere Jahre ist möglich.
„Wir freuen uns außerordentlich über diesen ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zum Exzellenzcluster“, so der Sprecher der Forschungsinitiative, Prof. Dr.-Ing. Kai Sundmacher, Leiter des Lehrstuhls für Systemverfahrenstechnik der Universität Magdeburg. „Unsere zentrale Forschungsfrage ist, wie sich Plastikmüll und biogene Abfallstoffe systematisch und effizient in wertvolle Moleküle für neue Produkte umwandeln lassen.“ Dabei gehe es nicht um Dekarbonisierung, denn all diese Stoffe enthielten ja wertvollen Kohlenstoff, so der Verfahrenstechniker weiter. Dieser dürfe aber eben künftig nicht mehr aus fossilen Quellen wie Erdöl oder Erdgas stammen, sondern müsse aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden: Etwa aus Biomasse, aus dem Recycling von Abfällen oder aus der Nutzung von CO2, das als Abgas bei der Produktion in Industrieanlagen oder bei der Müllverbrennung entsteht. „Dies sind die Kohlenstoffquellen der Zukunft.“
Prof. Kai Sundmacher, Sprecher der Forschungsinitiative SmartProSys (Foto: Hannah Theile / Uni Magdeburg)
An dem interdisziplinären Forschungsprojekt beteiligen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen
- Verfahrenstechnik,
- Chemie,
- Mathematik,
- Informatik,
- Logistik,
- Wirtschaftswissenschaften,
- Politikwissenschaft und
- Psychologie.
Unter anderem auch des Leibniz-Instituts für Katalyse (LIKAT) in Rostock und der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus.
Sie werden Laborexperimente mit Computersimulationen kombinieren und leistungsfähige Berechnungsmethoden und Algorithmen entwickeln, mit denen sie neuartige Produktionsverfahren entwerfen, simulieren und optimieren können. Darüber hinaus untersuchen sie die ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Transformation einer bisher energie- und ressourcenintensiven chemischen Industrie in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. „Die chemische Industrie, nicht nur in Sachsen-Anhalt, befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel“, so Prof. Dr.-Ing. Kai Sundmacher.
„Ich gratuliere unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ganz herzlich zu diesem großartigen Erfolg“, so der Rektor der Universität Magdeburg, Prof. Dr.-Ing. Jens Strackeljan. „Ich sehe als wesentlichen Grund für die positive Beurteilung nicht nur die große gesellschaftliche Relevanz dieses Zukunftsthemas, sondern vor allem die außerordentliche wissenschaftliche Expertise und hervorragende und lange fächerübergreifende Zusammenarbeit der beteiligten Forscherinnen und Forscher“, so Strackeljan weiter, „insbesondere die jahrelangen systematischen Vorarbeiten im Rahmen des Forschungszentrums Dynamische Systeme an der Otto-von-Guericke-Universität und dem Max-Planck-Institut in Magdeburg.“ Nicht zuletzt gelte der Dank auch dem Land Sachsen-Anhalt für das finanzielle Engagement bei dem Vorhaben.
Das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt hat den Aufbau der Forschungsinitiative bisher mit 3,25 Millionen Euro unterstützt.
„Das ist eine großartige Nachricht für den Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt. Erstmals rückt die Exzellenzförderung des Bundes für uns in greifbare Nähe“, so der Wissenschaftsminister Prof. Armin Willingmann. „Das erfolgreiche Abschneiden in der ersten Runde belegt zugleich, dass es richtig war, in dieser Legislaturperiode auch nachdrücklich auf Exzellenz zu setzen und die Universitäten von Anfang an bei ihren Bewerbungen konsequent finanziell zu unterstützen. Nach dem schönen Erfolg in der ersten Phase des Auswahlverfahrens bin ich optimistisch, dass wir auch in der Endrunde erfolgreich abschneiden werden.“