Die Werkstoffwissenschaftlerin Dr. Hanka Becker von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat im renommierten Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zwei Millionen Euro Forschungsgelder eingeworben. Die Expertin für metallische Werkstoffe wird in den kommenden sechs Jahren untersuchen, wie Aluminiumlegierungen, die in vielfältigen Bauteilen im Verkehrssektor, im Bauwesen, im Maschinen- und Anlagenbau bis hin zum Haushalts- und Freizeitbereich eingesetzt werden, umweltschonend und energiesparend recycelt werden können, um sie anschließend ohne Qualitätsverlust wiederzuverwenden.
„Die Aufbereitung von recycelten Aluminiumlegierungen spart gegenüber der Produktion von Primäraluminium 95 Prozent Energie“, so die Ingenieurin, die seit 1. Juni dieses Jahres am Institut für Werkstoff- und Fügetechnik der Universität Magdeburg forscht. Die Ursache dieser enormen Differenz liege darin, dass bei der Gewinnung von Primäraluminium der wichtige Abtrennungsprozess des Sauerstoffs vom Aluminium unglaublich energieintensiv sei. „Die große Herausforderung beim Recycling von Aluminiumbeschichtungen liegt wiederum darin, unerwünschte Verunreinigungen und Werkstoffbestandteile zu entfernen bzw. zu untersuchen, wie man mit nicht entfernbaren Resten umgehen sollte.“ Die entweder bereits in den zu recycelten Legierungen vorhandenen, aber auch durch den Recyclingprozess entstehenden Verunreinigungen in den Aluminiumlegierungen beeinflussten die mechanischen und funktionellen Eigenschaften und führen zu einer verminderten Qualität des wiederverwendeten Aluminiums. „Die Erforschung des Umgangs von Verunreinigungs- und Begleitelementen, die unvermeidlich während des Recyclingprozesses auftreten, ist für die Qualität der recycelten Aluminiumlegierungen von großem Interesse“, beschreibt Dr. Hanka Becker ihren Forschungsansatz.
In ihrem jetzt durch das Emmy-Noether-Programm unterstützte Projekt „Neue Legierungsfamilien aus recyceltem Aluminium für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung“ wird die Wissenschaftlerin eine Forschungsgruppe leiten und untersuchen, wie die, unter anderem, durch die Abnutzung von Werkzeugen bei der Verarbeitung oder nicht ideale Schrottseparierung eingebrachten metallischen Verunreinigungs- und Begleitelemente im Werkstoff unschädlich gemacht bzw. reduziert werden können. „Die Beantwortung dieser Frage ist wegweisend für die industrielle Verarbeitung von recycelten Aluminiumlegierungen. Immer mehr der eingesetzten Aluminiumprodukte weltweit erreichen jetzt das Ende ihrer Einsatzdauer und müssen im Sinne von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sowohl von Primäraluminium als auch Energie in einen Kreislauf eingehen“, so die Nachwuchswissenschaftlerin.
Dr. Becker und ihr Team werden dafür ein umfangreiches experimentelles Versuchsprogramm durchführen. Konkret gehe es darum, so Hanka Becker, zunächst bei im Labor hergestellten Aluminiumlegierungen und später übertragen auf technische Legierungen die inneren Strukturen, d.h. das Gefüge, des Werkstoffes mittels neuartiger Veredler, sogenannter Kornfeiner, so zu verändern und zu beeinflussen, dass die Verunreinigungen und unerwünschten Bestandteile ohne funktionelle Nachteile bei der Wiederverwendung toleriert oder sogar genutzt werden könnten. Kornfeiner werden metallischen Schmelzen hinzugefügt, um die bis zu einem Millimeter großen Körner des Werkstoffgefüges zu verkleinern. „Je kleiner die Körner sind, umso geringer ist auch in den Aluminiumlegierungen der Einfluss derjenigen Körner, in denen die Verunreinigungen gebunden sind“, erklärt die Werkstoffexpertin.
Ihr Ziel ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, recycelte Aluminiumlegierungen für den Einsatz in Bereichen höchster Anforderungen an den Werkstoff zu designen.
„Ich habe das Institut für Werkstoff- und Fügetechnik die Uni Magdeburg dafür als Standort gewählt, weil die Erforschung von neuen Werkstoffen hier etabliert ist und davon die Forschung profitiert“, so Dr. Hanka Becker über ihren Wechsel von der TU Freiberg an die Universität Magdeburg. „Durch das auf Aluminiumguss spezialisierte Gießereilabor, die Erfahrung auf dem Gebiet des Mahlens von intermetallischen Hochtemperaturwerkstoffen und die herausragenden analytischen Möglichkeiten am Institut besteht eine exzellente Ausstattung zur Umsetzung des Vorhabens.“
Kurzvita
Die gebürtige Eisenhüttenstädterin Hanka Becker studierte an der TU Bergakademie Freiberg Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie. 2018 wurde sie promoviert (Doktorvater Prof. Andreas Leineweber) und war anschließend zu Forschungsaufenthalten an der Norwegian University of Science and Technology, NTNU (Trondheim, Norwegen) und der Technical University of Denmark, DTU, Lyngby, Dänemark. Mit der Förderung aus dem Emmy Noether-Programm wechselte sie an die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg an das Institut für Werkstoff- und Fügetechnik.
Emmy Noether-Programm
Das Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG bietet herausragend qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, sich durch die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe über einen Zeitraum von sechs Jahren für eine Hochschulprofessur zu qualifizieren. Benannt ist das Programm nach einer der herausragendsten Mathematikerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie gehörte zu den ersten Wissenschaftlerinnen, die sich in Deutschland habilitieren durften. 1930 ging sie in die USA, wo sie am Women's College Bryn Mawr und in Princeton lehrte. Sie war mit Albert Einstein befreundet und starb 1935 in den USA.
Bilder zum Download
Bild 1 // Foto: Jana Dünnhaupt/Uni Magdeburg // Bildunterschrift: Portrait Dr. Hanka Becker