Ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Sportwissenschaftlern und Informatikern der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie Orthopäden des Klinikums Magdeburg arbeitet derzeit daran, Diagnostik und Therapie bei chronischen Rückenschmerzen und Wirbelsäulenerkrankungen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu verbessern.
Ihr Ziel ist die Entwicklung, Anwendung und Implementierung der digitalen Gesundheits-App Spine Interactive (SI-App). Sie soll künftig als interaktives Bindeglied zwischen Ärztinnen und Ärzten, Betroffenen und Therapeuten eingesetzt werden, um eine schnelle und sichere Diagnostik, Therapie und Risikobewertung der Beschwerden zu ermöglichen und gleichzeitig auch Wissen zu vermitteln. So können Bedingungen und Ressourcen identifiziert werden, die für eine personalisierte Behandlung, gezielte Prävention und individuelle Gesundheitsförderung notwendig und hilfreich sind.
„Wirbelsäulenerkrankungen und die damit oft verbundenen Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden in Deutschland“, erklärt der Orthopäde und Chefarzt der Klinik für Orthopädie im Klinikum Magdeburg Prof. Dr. med. habil. Jörg Franke. „Die Gründe dafür liegen in der persönlichen Genetik, dem aufrechten Gang als Mensch und auch im persönlichen Bewegungs- und Aktivitätsprofil. Die Behandlung ist äußerst komplex und umfasst therapeutische Maßnahmen, individuelle Verhaltensänderungen und medikamentöse Versorgung.“ Die Kosten für das Gesundheitssystem seien enorm, so der Wirbelsäulenspezialist. „Unsere digitale Plattform soll die Effektivität und Zusammenarbeit von Patienten und medizinischem Personal helfen zu optimieren, sodass alle einen Nutzen daraus ziehen.“
Aktuell gäbe es noch keine digitale Anwendung, die sowohl objektive als auch subjektive gesundheitsbezogene Daten zur Bewertung der aktuellen psychophysischen und kognitiven Leistungsfähigkeit von Patientinnen und Patienten mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenerkrankungen erfasst, ergänzt der Projektleiter und Sportwissenschaftler Prof. Dr. Lutz Schega vom Lehrstuhl für Gesundheit und Körperliche Aktivität der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. „Die SI-App wird diesbezüglich eine Vorreiterrolle einnehmen, weil sie durch ausgewählte und vor allem valide Testverfahren ein objektives Zustandsbild der Nutzerinnen und Nutzer beschreibt und so erstmals eine umfassende qualitative sowie quantitative Bewertung des Gesundheitszustands der Patientinnen und Patienten generiert.“ Die weiterführende KI-gestützte Analyse und Auswertung dieser Daten ermögliche zudem eine tagesaktuelle und kontinuierliche Überwachung sowie schnelle Intervention im Sinne von notwendigen individualisierten Anpassungen im Therapieverlauf, so der Mediziner Prof. Jörg Franke. „Mit diesem Ansatz der personalisierten Medizin werden wir langfristig die Versorgung und Rehabilitation der betroffenen Patientinnen und Patienten verbessern und das Risiko für Wirbelsäulenerkrankungen deutlich senken.“
Derzeit arbeiten die Forschungsteams daran, die unterschiedlichen objektiven und subjektiven Testverfahren in experimentellen Settings zu evaluieren und die Ergebnisse den zu entwickelnden KI-Modellen zur Verfügung zu stellen. Bereits Mitte kommenden Jahres sollen mit einem Prototypen der App erste Anwendungsstudien im Rahmen der Gesundheitsförderung und später mit betroffenen Patienten in der Rehabilitation durchgeführt werden.
An dem EU-geförderten Projekt sind neben der Universität Magdeburg uns dem Klinikum Magdeburg auch Industriepartner wie die DevLabor GmbH sowie Interessenvertreter und Berufsverbände aus der Medizin (KVSA, Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. Sachsen-Anhalt), die AOK Sachsen-Anhalt und der Behindertensportverband Sachsen-Anhalt (BSSA) beteiligt.
Das Projekt „SI-Spine Interactive_Entwicklung einer KI-gestützten digitalen Health-App (SI-App) bei Wirbelsäulenerkrankungen“ wird bei einer Laufzeit bis Ende 2026 mit einer Summe in Höhe von knapp 2,3 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt gefördert.
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Bild 1 // Foto: Tobias Bea // Bildunterschrift: Das Setup für die Validierung von Gangdaten für die Entwicklung der App im Bereich für Sportwissenschaft der Uni Magdeburg.