Was steckt hinter den aufgewirbelten Teilchen? Vier Physikstudenten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg entwickeln einen Mikrochip, der das Verhalten von Teilchen in Granulaten aufzeichnen soll. Mit seinem Projekt „SmartDust“ optimiert das Team physikalische Grundlagenforschung.
Was haben Sandstürme, die Saturnringe und geschüttelte Kaffeebohnen gemeinsam? Alles sind sogenannte „granulare Gase“. Wie ein Granulat bestehen sie aus einer Ansammlung vieler kleiner Teilchen. Werden diese durch die Gegend gewirbelt oder befinden sich in der Schwerelosigkeit, wird das Granulat zum granularen Gas. Das Forschungsteam von „Smartdust“ erkannte ein Problem bei der Erforschung dieser besonderen Gase: „Um das Verhalten der Teilchen zu beobachten, hat man bisher Kameras genutzt. Dabei kann man aber nicht alle Teilchen sehen und man kann das Verhalten der Teilchen nie vollständig abbilden oder verstehen“, erklärt Fabian Guse, Physikstudent an der Uni Magdeburg. Die Idee von „Smartdust“ soll die Lösung sein: Ein Mikrochip, der mitten im granularen Gas platziert wird und die Bewegungen aller Teilchen aufnehmen kann. „Damit wäre es möglich, Granulate dreidimensional aufzunehmen. Diese Erkenntnisse sind dann unter anderem in der Pharmazie, der Landwirtschaft oder auch beim Recyclen von Plastikflaschen anwendbar“, zählt Student und „Smartdust“-Mitglied Anton Murath auf.
„SmartDust“ im freien Fall
„Dafür müssen wir auch in der Schwerelosigkeit forschen“, sagt Fabian Guse. „Das geht zum Beispiel im freien Fall.“ Anfang dieses Jahres stellte das Team seine Idee der European Space Agency, kurz ESA, vor: Es konnte überzeugen und bekommt im November die Möglichkeit, den Fallturm vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation in Bremen für sein Projekt zu nutzen. Bisher mussten Versuche beim Fall aus einem Fenster herhalten. Im weltweit einzigartigen, über 100 Meter hohen Fallturm kann das Experiment dagegen etwa neun Sekunden lang in der Schwerelosigkeit betrachtet werden. „Wir wurden dafür ausgewählt und das ist eine große Ehre“, sagt Anton Murath, „es zeigt auch, dass es nicht unbedingt darauf ankommt, ob man im noch im Bachelor studiert oder schon Doktorand ist: Was zählt, ist der Ehrgeiz und die Relevanz für die Forschung.“ Als Bachelorstudierende konnten sie sich gegen viele andere Bewerber durchsetzen.
Geschichten eines Astronauten
Die ESA bietet den Studierenden nicht nur die Möglichkeit, den Fallturm zu nutzen. Auch mit Seminaren und Experten unterstützt die Raumfahrtagentur das vierköpfige Forscherteam. Das Team von „SmartDust“ nahm beispielsweise im Februar an einer Woche mit Seminaren der ESA teil. Bei den Online-Konferenzen mit anderen Teams lernten sie internationale Forschende kennen und konnten sich mit weiteren Studierenden verbinden, die sich ebenfalls für die Raumfahrttechnik und -forschung begeistern. „Unter anderem haben wir auch den europäischen Astronauten Jean-François Clervoy kennenlernen dürfen“, erinnert sich Fabian Guse. „Er erzählte uns Geschichten von seinen Missionen auf der Internationalen Raumstation und teilte viele wertvolle persönliche Erfahrungen mit uns.“ Dabei betonte der Astronaut besonders wie filigran die Erde vom All aus erscheint und wie wichtig es deshalb sei, das wir uns um unseren Planeten kümmern. Diese Aussage hat die Studierenden sehr bewegt und inspiriert.
Physik ist mehr als trockene Theorie
Fabian Guse, Anton Muráth, Paul Boße und Micha Zenker lernten sich während des Physikstudiums an der Uni Magdeburg kennen. Ihre gemeinsame Faszination an der Wissenschaft und der Drang, die Welt um sich herum besser zu verstehen, führten sie schlussendlich zusammen. Während ihres Studiums konnten sie sich bereits viel Wissen aneignen, welches sich jetzt als essentiell für den Erfolg des Projektes herausstellt. „Auch unsere Fakultät, die Fakultät für Naturwissenschaften, unterstützt uns mit Material und besonders mit wertvoller Erfahrung“, sagt Fabian Guse. „Dafür sind wir sehr dankbar!“ Unterstützend und beratend steht – neben vielen Forschenden der Universität – besonders auch Prof. Dr. Ralf Stannarius, Abteilungsleiter für Nichtlineare Phänomene am Institut für Physik, zur Seite. Der Professor ist außerdem Koordinator der ‚Magdeburger Arbeitsgemeinschaft für Forschung unter Raumfahrt- und Schwerelosigkeitsbedingungen‘, kurz MARS. Wer mehr über das Projekt „SmartDust“ erfahren möchte kann gerne die Webseite besuchen oder das Studentenprojekt auf den sozialen Medien wie Instagram verfolgen.