„Ich war sofort begeistert von der Ausschreibung der Gastprofessur, in der sozialwissenschaftliche Theorie und Empirie genauso möglich waren wie ein Fokus auf Interdisziplinarität und Praxisorientierung“, erinnert sich Dr. Tina Jung. Sie ist die neue „Marianne-Schminder-Gastprofessorin mit Teildenomination Geschlechterforschung“. „Über Marianne Schminder weiß ich, dass sie ab 1961 Professorin für Nichtmetallische Werkstoffe in den Ingenieurwissenschaften der Technischen Hochschule Magdeburg, einer Vorgängerinstitution der heutigen Uni, war. Sie promovierte 1961 als ‚erster Doktorand‘ am Institut für Werkstoffkunde und -prüfung, besaß mehrere Patente, war sehr engagiert in der Lehre sowie im Frauenausschuss der damaligen TH. Eine interessante Frau, über die es sicher mehr zu sagen gäbe. Vielleicht wäre das ja mal ein Forschungsprojekt“, regt Tina Jung an.
Dr. Tina Jung wendet sich in ihrer Forschung und Lehre Geschlechterverhältnissen als gesellschaftliches Struktur- und Machtprinzip im Kontext sozialen bzw. demokratischen Wandels zu. Sie arbeitet zu Themen der Gesundheits- und Geschlechterpolitik, Gewalt und Geschlecht, u. a. im Kontext von Menschenrechten, Care-Arbeit, Familie sowie zu (queer-)feministischen Theorien und kritischen Gesellschaftstheorien. Zum Themenspektrum ihrer Lehre gehören auch Aspekte politischer Bildung und Demokratielernen. Aktuell untersucht sie schwerpunktmäßig die soziale und ökonomische Regulierung des Geburtshilfesystems sowie Fragen der Selbstbestimmung und Formen von Gewalt in der Geburtshilfe. Ihre Forschung zur Politik der Reproduktion ist interdisziplinär, gegenwartsorientiert und auf nationale wie auch internationale Entwicklungen ausgerichtet.
Ihre zweijährige Gastprofessur an der Fakultät für Humanwissenschaften möchte die Wissenschaftlerin nutzen, sich in die Lehre, in die Universität und Region einzubringen und ihre Forschung weiter voranzutreiben. Das hat sie bereits in den ersten Monaten ihres Aufenthalts reichlich umgesetzt. Dr. Tina Jung beteiligte sich u. a. mit Vorträgen an den interdisziplinären Ringvorlesungen der Universität zu den Themen ‚Gender Studies‘‚ ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Tabu’, beim Methodenworkshop des Zentrums für Sozialweltforschung und Methodenentwicklung (ZSM) und gab ihre Erfahrungen auf der „Ladies Night for Women in Engineering Sciences“, die weiblichem wissenschaftlichem Nachwuchs Karrierewege aufzeigt, an junge Forscherinnen weiter. „Ich schätze die vielfältigen Kooperations- und Vernetzungsmöglichkeiten an der Uni Magdeburg“, so Jung, „und freue mich auf die nächsten gemeinsamen Veranstaltungen und Projekte hier“. Zudem ist sie Mitglied der Rektoratskommission ‚Chancengleichheit und Diversität‘ sowie der Arbeitsgruppe Antidiskriminierung der Uni Magdeburg. Sie gründete überdies einen Lesekreis zum Thema „Gender Studies und feministische Bewegungen“, um die inhaltliche Vernetzung über alle Fachbereiche hinweg zu Geschlechterthemen zu stärken: „Wer inhaltlichen Austausch in kollegialer Atmosphäre sucht, ist herzlich willkommen! Neuzugänge sind jederzeit möglich“, erklärt Dr. Tina Jung.
Mit ihrer Arbeit möchte sie nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ansprechen, umreißt die Gastprofessorin ihre Ziele. „Wissenschaft hat gesellschaftlich Verantwortung. Ich setze mich daher auch für Wissenschaftspraxisdialog ein, u. a. im Kontakt mit Akteuren aus der Praxis, aus Politik und Gesellschaft, in Magdeburg und darüber hinaus.“ So hat sie unter Federführung des Arbeitskreises Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft und in Zusammenarbeit mit Hebammen-, Gynäkologie- und Elternverbänden eine wissenschaftsbasierte, praxisorientierte Fortbildungseinheit zu „Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe“ erarbeitet, die als Videodokumentation online im Fachforum „Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe: Formen, Folgen und Vermeidung“, Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V., abrufbar ist.
Dr. Tina Jung hat an der Philipps-Universität Marburg Politikwissenschaft sowie Neuere deutsche Literatur und Medienwissenschaft studiert. Den Schwerpunkt Geschlechterforschung legte sie bereits während ihres Studiums und der folgenden wissenschaftlichen Mitarbeit in der Forschungs- und Kooperationsstelle Arbeit, Demokratie und Geschlecht. Als Stipendiatin arbeitete sie im von der Hans-Böckler-Stiftung getragenen interdisziplinären Promotionskolleg „Geschlechterverhältnisse im Spannungsfeld von Arbeit, Organisation und Demokratie“. 2016 wurde ihr mit summa cum laude der Grad der Doktorin der Philosophie im Fachgebiet Politikwissenschaft verliehen. Bis zu ihrem Wechsel an die Universität Magdeburg war Dr. Tina Jung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig und leitete u. a. mehrere Forschungsprojekte. „Ich bin sehr freundlich hier in Magdeburg aufgenommen worden, und ich erlebe die Studierenden als sehr engagiert und interessiert. Meine Kolleginnen und Kollegen halfen mir bei der Suche nach einer Wohnung, auch das ist gut gelaufen!“, erzählt sie. „Die Stadt gefällt mir sehr gut und bietet viele, viele Möglichkeiten.“