Führen Sie sich einmal Ihren Arbeitsweg vor Augen, vor allem den Campus! Müssen Sie eine Treppe nehmen, um Ihr Gebäude oder Ihr Büro zu erreichen? Gäbe es theoretisch die Möglichkeit, einen Fahrstuhl zu benutzen? Fragen, die ich mir zum Beispiel noch nie gestellt habe und auch nicht stellen muss – da ich nicht auf einen Rollstuhl angewiesen bin, im Gegensatz zu Matthias Scheer. Er arbeitet im ersten Stock des Gebäudes 10 in der IT-Abteilung für die Fakultät für Maschinenbau. Und genau da habe ich ihn einmal besucht! Als ich in sein Büro komme, fällt mir absolut nichts Ungewöhnliches auf. Da steht ein Tisch mit einem Computer, einer Maus und einer Tastatur. Also alles, wie ich es vom eigenen Schreibtisch kenne. Allerdings hält der Arbeitsalltag für den IT-Mitarbeiter wohl mehr Herausforderungen bereit, denn Matthias Scheer fehlt auch eine Hand. Etwas, was Matze, wie er sich selbst mit einem Lachen vorstellt, aber nicht die gute Laune nimmt.
„Ich arbeite seit 2014 an der Uni, ich hab sogar vorher hier meine Ausbildung im Universitätsrechenzentrum zum Fachinformatiker gemacht“, erzählt er. Der Weg bis dahin war allerdings kein leichter für ihn. „Vorher wurde ich zur Bürofachkraft ausgebildet. Das war dann aber nicht so mein Ding und ich hab auch keinen Job gefunden. Und dann bin ich vier Jahre lang von einer Maßnahme der Agentur für Arbeit in die nächste gekommen.“ Sein Berufswunsch sei es aber schon immer gewesen, mit Computern zu arbeiten. „Aber man hat mir bei der Arbeitsagentur nicht zugetraut, dass ich das kann, weil mir eben eine Hand fehlt. Aber das ist gar kein Problem. Ich arbeite hier mit einer ‚stinknormalen‘ Tastatur und Maus – da bin ich pflegeleicht!“, meint er lachend. Und genau diesen Eindruck bekomme ich auch, während ich Matthias Scheer am Computer arbeiten sehe. Als hätte er genau das gefunden, was ihm Spaß macht und als würde ihn seine Beeinträchtigung dabei überhaupt nicht stören.
Ein (fast) normaler Arbeitstag
Sein Arbeitstag beginnt 6:30 Uhr. „Als erstes schalte ich natürlich immer meinen Computer an und schaue, ob ich Nachrichten von Menschen habe, die Hilfe bei IT-Problemen brauchen, zum Beispiel kein Netz oder kein Bild“, meint er schmunzelnd. Und auch Matthias Scheer steht manchmal vor – zum Glück nicht immer – alltäglichen Problemen, um noch einmal auf den Fahrstuhl vom Beginn zurückzukommen: „Ohne Aufzug ist nichts zu machen und es kam durchaus vor, dass der mal kaputt war. Dann hatte ich keine andere Wahl, als umzudrehen, mich wieder ins Auto zu setzen und von zuhause aus zu arbeiten.“
Matthias Scheer arbeitet ganz normal an einem Computer in seinem Büro (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
Am Ende laufe es auf Folgendes hinaus: „Ich kann zwar viel machen, aber nicht alles. Ich kann eben nicht zu meinem Büro, wenn der Fahrstuhl ausfällt. Ich kann schwere Geräte nicht allein hochheben. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass das ein Problem ist, weil ich viele nette Kolleginnen und Kollegen habe, die mir helfen“, beschreibt der Uni-Mitarbeiter seine Situation. „Sie helfen mir, auch die größten Hindernisse zu überwinden, wie zum Beispiel die Treppen vor Gebäude 23“, meint er lachend. Da sei er langsam und mit Unterstützung die Treppen hoch gelaufen und seine Kolleginnen und Kollegen hätten den Rollstuhl hoch getragen, als das Team einmal zu einem Workshop im Gebäude eingeladen war. „Mein Motto ist: Ich versuche es erst mal alleine, aber wenn es wirklich nicht geht, dann muss man mir entweder helfen oder jemand muss für mich übernehmen.“
Und diese kleine Anekdote unterstreicht genau das, was mir auch schon aufgefallen ist, als ich mir vor meinem Besuch bei ihm einmal den Campusplan angeschaut habe: Bei fast allen Gebäuden auf dem Hauptcampus gibt es den Hinweis auf einen rollstuhlgerechten Zugang. Allerdings fielen mir beim genauerem Hinsehen auch viele kleine Sternchen auf. Die nämlich weisen darauf hin, dass zahlreiche Gebäude nur teilweise barrierefrei erreichbar sind – und damit eben teilweise unerreichbar für Menschen sind, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind.
Matthias Scheers Einschätzung ist: Die Uni Magdeburg ist ungefähr zu 70 Prozent rollstuhlgerecht. „Ich bin zufrieden, wie es ist, aber ein bisschen Luft nach oben gibt es ja immer.“ Mal von den Treppen abgesehen, sind für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, eben auch die Wege sehr wichtig. Kopfsteinpflaster ist ein echtes Problem. Oder auch zu hohe Bordsteine. „Aber ich bin sehr glücklich darüber, an der Uni zu arbeiten und auch darüber, dass ich hier die Chance hatte, meinen Berufswunsch zu verwirklichen – ich hoffe, ich kann noch lange an der Uni arbeiten und dass der Fahrstuhl im Gebäude 10 immer fährt“, so der Uni-Mitarbeiter lachend.