Die Antwort auf diese Frage ist genau das: vielfältig! Sie ist abhängig davon, in welchem Kontext das Wort betrachtet wird. Sie ist abhängig davon, welcher Fokus auf dessen Bedeutung gelegt werden soll. An Hochschulen bedeutet Diversity, dass eine Vielfalt von Hochschulzugehörigen miteinander agieren, sich austauschen, sich, aber auch ihr Umfeld, beeinflussen und voneinander und miteinander lernen und sich weiterentwickeln. Wir haben uns auf dem Campus umgehört und gefragt: Was bedeutet für Sie Vielfalt? Die Antworten sind vielfältig ausgefallen und öffnen auch mal ganz andere Sichtweisen auf Vielfalt.
Der Motor für Kreativität und Innovation
Dr. Anne Gieseler, Dekanat Medizinische Fakultät (Foto: Sarah Kossmann / UMMD)
Vielfalt ist für mich ein Motor für Kreativität und Innovation: Verschiedene Erfahrungen, Perspektiven und Umgangsweisen treffen aufeinander und mögen im ersten Zusammenspiel „irritierend“ wirken, erzeugen aber wichtige Impulse für (Weiter-)Entwicklung im eigentlichen Sinne, nämlich Horizonterweiterungen und Transformationserlebnisse. Vielfalt ist somit eine elementare Grundlage und sollte organisationsübergreifend in allen Bereichen der Universität gelebt werden. Die Unimedizin vielfältiger zu gestalten, heißt nicht nur auf existierende Probleme und Barrieren zu reagieren, sondern vorausschauend zu agieren, um positive Rahmenbedingungen zu gestalten. Dafür ist ein proaktives Diversitätsmanagement notwendig, welches die Prinzipien der Diskriminierungsfreiheit und Chancengerechtigkeit in unsere Organisationskultur integriert. Das funktioniert meiner Meinung nach durch sensibles Umdenken aller Fakultätsmitglieder, insbesondere der Führungskräfte, denn wir alle gemeinsam tragen die Verantwortung für eine diversitätsgerechtere Unimedizin. So können beispielsweise interessierte Mitarbeitende als „role models“ für Diversität stark gemacht werden und entsprechende Transformationsprozesse in die Strukturen und Handlungsabläufe bringen. Als role models sollten Kolleginnen und Kollegen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten sowie sozialer, ethnischer und kultureller Herkunft vertreten sein, damit Vielfalt selbstverständlicher wird.
Das Wesen der Wissenschaft
Prof. Dr. Abdolkarim Sadrieh, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
Vielfalt ist das Wesen der Wissenschaft und damit auch in der DNA der Universität. Ohne eine große Vielfalt der Menschen und der Ideen gäbe es keinen Raum für wissenschaftlichen Diskurs und damit auch keinen Drang zum Fortschritt. Deswegen sollte die Uni stets eine Stätte der Vielfalt sein, um aus Vielfalt die Zukunft zu machen. Die Uni Magdeburg ist zweifellos bereits sehr vielfältig, allerdings findet diese große Vielfalt oft keine Ausdrucksmöglichkeit. Deshalb ist es nicht nur wichtig, sich für eine weitere Steigerung der Vielfalt stark zu machen, sondern auch der vorhandenen Vielfalt mehr Foren zu geben, sich zu entfalten. Eine Möglichkeit dazu wäre ein On-Campus-Café, das jeden Abend unter einem anderen Motto zur Vernetzung und Interaktion einlädt. Ein Abend könnte für LGBTQ+-Themen offenstehen, ein anderer Abend sich zum Beispiel um die Belange der International Community drehen. Auch Hürden der Kommunikation sollten gesenkt werden, zum Beispiel durch eine automatisierte Übersetzung aller Webseiten.
Die Chance für soziales Miteinander
Birgit Magdowski, Dekanat Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
An unserer Uni kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen, aus verschiedenen Ländern, Kulturen, sozialen Schichten, Generationen, Statusgruppen und auch mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten. Das bietet die Chance, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und sich mit Menschen auszutauschen, die andere Erfahrungen gesammelt haben. Die OVGU kann und sollte tolerant und offen sein, um die Vielfalt als Chance zu sehen und das soziale Miteinander zu fördern. Um das noch zu stärken, wünsche ich mir mehr attraktive Aufenthaltsflächen für einen Austausch, in den Gebäuden und draußen. Und es gibt so viele, teils recht unbekannte Initiativen und Veranstaltungen, wie zum Beispiel die Indian Night des Magdeburg Indians e. V., die interessante Themen vorstellen. Ich würde mir wünschen, dass diese, vielleicht auch gebündelt in Themenwochen, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.
Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Jan Wilhelm, Dezernent Zentrale Dienste (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
Es gab Monate in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren, in denen der OVGU-Campus ungewohnt ruhig war. Die überwiegende Zahl der Universitätsangehörigen fand sich beim „Online-Studium“ oder im verordneten „Homeoffice“ wieder. Lange Zeit war fast nichts zu erleben von der gewohnten universitären Vielfalt an Studierenden, Lehrenden, Mitarbeitenden, Gästen und Besuchern, die sonst so einprägsam den Eindruck eines lebendigen Campus ausmachen. Die menschliche Natur versucht bekanntermaßen, Fehlendes zu kompensieren, so auch die gewohnte Vielfalt zu ersetzen. In die menschliche Leere des universitären Raums rückte das übrige Sichtbare nunmehr viel intensiver ins Blickfeld. Was ist das hier eigentlich für eine Umgebung, dieses Campus genannte Gelände, wo plötzlich Stille eingekehrt war? Die Vielfalt dessen, was zuvor eher als Kulisse hinter den Menschen im Alltag kaum noch auffiel, trat nun viel deutlicher in Erscheinung. Sie ist sogar existent, wenn kein einziger Universitätsangehöriger anwesend ist. Die Gebäude, die wir ansonsten nutzen, die Wege, die wir beschreiten, die technischen Anlagen, die weiter funktionieren und Bäume, Sträucher und grüne oder blühende Außenanlagen, an denen sich Menschen normaler Weise gern erfreuen. Die Gedanken wandern zu zeitlichen und historischen Bezügen, wurden doch die Gebäude der OVGU in immerhin drei verschiedenen Jahrhunderten geplant bzw. gebaut. Wenn das nicht Vielfalt an Bautechnik, Architektur und ursprünglichem Zweck ihrer Errichtung ausmacht!
Moderne Daseinsform des beruflichen Miteinanders
Dr. Andreas Drust und Dr. Ursula Föllner, Personalrat (Foto: Catherina Kleinbauer / Uni Magdeburg)
Vielfalt im Job ist für mich eine moderne Daseinsform des beruflichen Miteinanders. Es ist weithin akzeptiert, dass sogenannte „mixed teams“ optimale Leistungen erbringen. Dabei helfen unterschiedliche Sichtweisen abhängig von Alter, Geschlecht oder kultureller und religiöser Zugehörigkeit, über den eigenen Horizont hinauszusehen. Dies wird meines Erachtens an unserer Universität schon sehr gut gelebt. Vielfalt heißt aber auch, eine große Anzahl an Meinungen und Überzeugungen zu akzeptieren und zu unterstützen. Dies fällt dem einen oder anderen aber schon noch schwer. Hier sehe ich Optimierungsbedarf. Das Ausgrenzen unbeliebter Ansichten ist nicht zielführend und sollte an Universitäten als Orte der Debatten unterbleiben. Beispielhaft sei der Umgang in der Corona-Pandemie mit Kolleginnen und Kollegen genannt, die skeptisch einer Impfung gegenüberstanden. Hier war ich als Personalratsvertreter mehrfach Zeuge von Anfeindungen und Ausgrenzungen. Ein solches Verhalten können und dürfen wir nicht dulden, wenn Vielfalt und Diversität gepredigt werden. Vielfalt kann allerdings auch in den Hintergrund rücken, wenn in hochspezialisierten Bereichen beispielsweise nur wenige qualifizierte Personen verfügbar sind. Dann darf meines Erachtens nicht der Fehler gemacht werden, auf Quoten zu pochen. Entscheidend ist eine hohe Performance bei gleichzeitig gutem, kollegialem und vor allem menschlichem Miteinander.
Voneinander lernen
Dr. Barbara Witter, Graduate Academy (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
Für mich bedeutet gelebte Vielfalt an der Universität, dass wir voneinander die vielen unterschiedlichen Sprachen auf dem Campus lernen – Sprache im übertragenen Sinn, nicht beschränkt auf das Sprechen, sondern bezogen auf Ansichten und Herangehensweisen jeder und jedes Einzelnen. Wenn das Berücksichtigen von Vielfaltsdimensionen selbstverständlich wird, werden wir nicht nur Diskriminierungen verringern, sondern auch neue Ressourcen heben und innovativer werden. Mit der Unterschrift unter der Charta der Vielfalt und schönen Statements ist nur der erste Schritt getan. Wir haben offizielle Anlaufstellen, an die man sich wenden kann, wenn man Diskriminierung erlebt hat – aber die Hürden, dies auch zu tun, sind für viele Betroffene vielleicht recht hoch. Ich glaube, wir könnten versuchen, z. B. mit webbasierten Kommunikationstools noch einfacher erreichbar zu werden und offensiver die Ansprechbarkeit zeigen. Jede und jeder von uns trägt unbewusste Vorurteile mit sich herum, und diese zu entdecken und wenigstens ein Stück weit ins Bewusstsein zu holen, wäre ungemein wichtig – eine große Aufgabe.