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12.10.2023 aus 
Campus + Stadt
Alle Hilfestellen gebündelt

Der Begriff Awareness heißt übersetzt Bewusstsein und Aufmerksamkeit. Ein Bewusstsein für Diskriminierung, aber auch für die Qualität in Studium und Lehre, das möchte auch das neue Awareness-Portal der Uni Magdeburg schaffen, dass am 11. Oktober online gegangen ist. Initiiert durch eine Arbeitsgruppe an der Uni, die sich seit Jahren mit dem Thema Antidiskriminierung beschäftigt, und zu der auch Akteurinnen und Akteure des Büros für Gleichstellung und Familie gehörten, soll das Portal nun für die Gesamtheit der Universität stehen und vor allem allen Angehörigen der Universität zur Verfügung stehen, die – auch anonym – Hilfe oder Ansprechpersonen suchen oder sich informieren möchten. Im Interview erzählt die zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Uni Magdeburg, Dr. Fingerhut-Säck, warum es das Portal nun gibt, wie es genutzt werden soll und warum es eine echte Bereicherung für die Uni-Gemeinschaft sein kann.

Ganz frisch ist nun das Awareness-Portal online gegangen. Awareness ist vielleicht ein Begriff, der nicht sofort geläufig ist: Was bedeutet er?

Awareness bedeutet Aufmerksamkeit und dass Formen von Diskriminierung erkannt und sichtbar gemacht werden. Wenn solche Fälle beobachtet werden, dass jemanden gefunden wird, zum Beispiel ein Awarenessbeauftragter oder eine Awarenessbeauftragte, der oder die angesprochen werden kann. Also Bewusstsein schaffen für diskriminierungsfreie Räume und Sichtbarmachen von Ansprechpersonen.

Was für einen Nutzen hat das Awarenessportal? 

Das Portal ist eine Meldeplattform bei Fällen von Diskriminierung, Benachteiligung, (sexueller) Belästigung und Gewalt sowie für allgemeines Feedback zu Studium und Lehre. Zudem finden sich zahlreiche Informationen, Übersichten und Verlinkungen zum Wissenstransfer.

Hauptziel ist es, eine unterstützende Umgebung zu bieten, in der jede Person sich frei und sicher fühlen kann, ihre Erfahrungen oder ihr Anliegen schnell und unkompliziert zu teilen, ohne sich Sorgen um mögliche Konsequenzen machen zu müssen. Das heißt, das Portal kann selbstverständlich genutzt werden, um sich bei Diskriminierung zu beschweren, auf der anderen Seite können aber auch Feedback oder Verbesserungsvorschläge im Rahmen von Studium und Lehre eingereicht werden.

Die Website ist in zwei Bereiche geteilt: Es gibt einen Pfad für Diskriminierung und einen für Feedback im Zuge von Qualitätssicherung im Studium. Rundherum gibt es weiterhin zahlreiche Informationen und Hinweise für alle, die sich grundsätzlich zur Thematik informieren wollen. Die Hemmschwelle, sich mit einem persönlichen Anliegen zu melden, soll sinken, die Informationen gebündelt und der Verfahrensprozess professionalisiert werden.

Ziel ist es, dass Nutzerinnen und Nutzer schnell einen Überblick erhalten, wer geeignete Ansprechpersonen sein können. Es geht also auf keinen Fall nur darum, dass sich Menschen beschweren können, sondern das Ziel des Portals ist es auch, alle relevanten Informationen zum Thema Antidiskriminierung auf einer Plattform zur Verfügung zu stellen.

Inwiefern bestand die Notwendigkeit, dieses Portal einzurichten? Wie ist es entstanden?

Gemäß des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gilt die Vorgabe, dass alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eine Beschwerdestelle einrichten müssen, bei der Betroffene sich beschweren können, wenn sie sich diskriminiert fühlen, aus rassistischen Gründen, aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität. Im September letzten Jahres wurde an der Uni Magdeburg die Richtlinie gegen Diskriminierung und sexualisierte Gewalt verabschiedet, welche die Verfahrensprozesse von Beschwerden und Präventions- und Schutzmaßnahmen genauer beschreibt und die Arbeit der Beschwerdestelle damit unterstützt. Durch das Awareness-Portal wird die Richtlinie, die nun schon seit über einem Jahr besteht, auch praktisch angewendet, umgesetzt und nicht zuletzt sichtbar gemacht.

Auf dem Awareness-Portal finden sich sämtliche Informationen zur Beschwerdestelle an der Uni Magdeburg, deren Mitglieder und weitere Ansprechpersonen für Studierende und Mitarbeitende. Jede Beschwerde, die über das Portal eingereicht wird, wird durch die Beschwerdestelle bearbeitet. Beschwerden können zudem auch direkt an die Beschwerdestelle oder Ansprechpersonen gemeldet werden, das Portal ist dabei aber nur einer von mehreren möglichen Wegen.

Das Portal soll nicht zuletzt auch ein generelles Bewusstsein für Diskriminierung schaffen und zeigen, dass wir als Unigemeinschaft das Thema ernst nehmen. So sollen sich auch internationale Studierenden sicher fühlen, Vorfälle jeglicher Art melden zu können.

Porträt Dr. Fingerhut Säck (c) Jana Dünnhaupt Uni Magdeburg

Dr. Fingerhut Säck war Teil der Arbeitsgruppe, die das Awareness-Portal initiiert haben. (Foto: Jana Dünnhaupt/Uni Magdeburg)

An wen oder wohin konnten sich Menschen mit Problemen vorher wenden? Inwieweit ist das Portal jetzt eine Erleichterung?

Die Möglichkeit Hilfe zu suchen und sich zu beschweren, gab es natürlich schon immer – sei es über die Beschwerdestelle oder weitere Ansprechpersonen und Interessenvertretungen. Der Vorteil des Portals ist, dass sich alle relevanten Informationen an einer Stelle befinden, dass über digitale Formulare direkt über die Seite gemeldet werden kann, dass schnell die passenden Ansprechpersonen gefunden werden, mehr Transparenz zum Ablauf eines Beschwerdeverfahrens geschaffen wird und Infos zum Datenschutz und zu Begriffen gegeben werden. Wenn in einem Bereich vermehrt Beschwerden auftreten, selbst anonym, können gezieltere Maßnahmen erfolgen und effizienter Lösungen gefunden werden. Neu ist zudem, dass die Beschwerden zentral dokumentiert werden, so dass ein weiträumiger Überblick für weiteren Handlungsbedarf geschaffen werden kann.

Nehmen Sie mich gerne einmal mit durch den Prozess: Nehmen wir an, ich habe ein Problem. Wie ist der Ablauf? Ich melde etwas und dann?

Wenn Sie auf das Portal gehen, dann sehen Sie, dass es zweigeteilt ist. Links finden Sie die Möglichkeit einen Vorfall zu melden, rechts können Sie Feedback zu Studium und Lehre geben.

Nehmen wir an, dass Sie sich beschweren wollen, weil Sie sexuell belästigt wurden. Dann klicken Sie auf „Meldung Vorfall“ und füllen dann ein Formular aus. Auf der Seite findet sich außerdem eine genaue Erläuterung, wie der Beschwerdeprozess abläuft. Die Beschwerdestelle bekommt dann die Beschwerde – natürlich werden alle Informationen vertraulich und datenschutzkonform behandelt – und begleitet Sie ab hier im Prozess. Die Beschwerdestelle ruft Kommissionen zum Fall ein, welche z. B. Befragungen aller beteiligter Personen durchführen und bestenfalls den Fall klären bzw. Maßnahmen aussprechen können – alles in persönlicher Absprache mit Ihnen. Die Beschwerdestelle informiert Sie kontinuierlich zum Prozess. In ihrem Fall würde auch ich als Gleichstellungsbeauftragte aufgrund der Thematik einbezogen werden, weil dies in meinen Arbeitsbereich fällt. Der vollständige Prozess, wie mit einer Beschwerde umgegangen werden muss, ist festgelegt, dies beinhaltet auch Fristen, zu denen Sie aufgeklärt werden. Am Ende werden alle beteiligten Personen über das Ergebnis informiert und der Vorfall dokumentiert.

Wie können die Aussagen geprüft werden, um beispielsweise Falschaussagen zu filtern?

Das Prüfen jeder Beschwerde liegt bei der Beschwerdestelle. Dieser Prozess ist immer gleich, egal ob eine Beschwerde über das Portal eingereicht wird, oder jemand direkt zu einer der Ansprechpersonen geht. In erster Linie ist die Beschwerdestelle und sind auch alle anderen Ansprechpersonen dazu da, die Beschwerde aufzunehmen, ohne vorzuverurteilen.

Denn es ist ausreichend, sich subjektiv benachteiligt oder diskriminiert zu fühlen, ob der Vorfall objektiv eine Benachteiligung oder Belästigung darstellt, ist für die Beschwerdebefugnis unerheblich. Indizien für eine Benachteiligung reichen aus, die Beschwerdestelle und die Kommissionen prüfen jede Meldung. Das Verfahren wird beendet, wenn keine hinreichenden und tatsächlichen Anhaltspunkte ermittelt werden können, gegebenenfalls können auch Maßnahmen zur Rehabilitation der zu Unrecht beschuldigten Person getroffen werden. Allgemein landet eine Beschwerde, auch wenn es um falsche Verdächtigungen geht, nur bei Personen mit Verschwiegenheitsverpflichtung, die auch für solche Fälle sensibilisiert sind – die Meldungen werden namentlich nicht öffentlich gemacht. Und im schlimmsten Fall, wenn es wirklich um etwas Strafrechtliches geht, ist es letztendlich die Verantwortlichkeit der Polizei.

Wenn ich auf meine persönlichen Erfahrungen als Vertrauensperson zurückblicke, dann glaube ich nicht, dass das Portal für falsche Verdächtigungen missbraucht wird. Falls doch, dann möchte ich aber anmerken, dass falsche Verdächtigungen mit oder ohne Portal passieren können.

Und zum Ende vervollständigen Sie bitte noch folgenden Satz: Das Awareness-Portal ist eine Bereicherung für die OVGU, weil...

wir dadurch die Möglichkeit haben, durch ein weiteres Instrument an einem diskriminierungsfreien Raum auf dem Campus zu arbeiten und vor allem mehr Bewusstsein an der Uni Magdeburg zu schaffen. Außerdem bündeln wir so alle Hilfestellen und Informationen zu dem Thema, so dass Betroffene immer sofort wissen, an wen sie sich wenden können, falls es nötig ist.

 

Autor:in: Lisa Baaske
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