„Falls ihr die Natur studieren möchtet, dann wählt eine Naturwissenschaft. Falls ihr jedoch etwas bauen oder erfinden wollt, dann seid ihr bei den Ingenieuren besser aufgehoben.“ Dieser Satz wird Karsten Rätze in Erinnerung bleiben. Gesagt hat ihn ein Chemie-Professor der Uni Göttingen. Dort hatte Karsten eine Schnuppervorlesung besucht, denn bereits während der Schulzeit wusste er, dass sein späterer Beruf einmal „etwas mit Chemie“ zu tun haben soll. Bis dahin hatte der Abiturient jedoch noch nie in Betracht gezogen, Ingenieur zu werden. Eine große Suchmaschine im Web machte Karsten auf Studienrichtungen, wie Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik, aufmerksam, für deren interdisziplinäre Ausrichtung er sich sofort begeisterte. Sein Vater, der beruflich in Magdeburg unterwegs war, empfahl ihm die Otto-von-Guericke Universität (OVGU). Um sich ein bisschen umzuschauen, meldete sich Karsten zum MINT-Praktikum an und war sofort begeistert von der Uni und dem Brennstoffzellenlabor, in dem er während eines Praktikums arbeitete. „Die Angebote der Uni Magdeburg für Studieninteressierte, sich vorab zu informieren sind vielfältig: Schnupperstudium, Schnuppervorlesungen, MINT-Praktika, Sommer-Camps, Herbst-Unis“, zählt Karsten auf. „Die Menschen sind supernett und der Campus ist sehr modern, mit vielen sanierten Gebäuden, ausgezeichneten Studien- und Arbeitsbedingungen.“
2011 begann Karsten sein Bachelorstudium der Verfahrenstechnik und gehört seitdem zu den Vorwärtsmachern der Universität Magdeburg. Seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht, denn hier geht es nicht nur um die reine Chemie, sondern um Interdisziplinarität: Mechanik, Bioverfahrenstechnik, Werkstofftechnik, Apparatetechnik, Thermodynamik, Informationstechnik, stehen auf dem Stundenplan. „Man erhält zunächst Einblicke in die naturwissenschaftlichen, mathematischen sowie ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen und spezialisiert sich anschließend auf die Verfahrenstechnik. Während des Studiums hat man eine unglaubliche Vielfalt an Fächern und entdeckt viele Disziplinen, von denen man noch nie etwas in der Schule gehört hat“, erinnert sich der Absolvent. „Für mich hat sich das Studium der Verfahrenstechnik alleine schon deswegen gelohnt, weil ich viel über meine Umwelt und alltägliche Dinge gelernt habe – Dinge über die ich zuvor nicht einmal nachgedacht habe. Durch das Studium dieser vielen Disziplinen habe ich Einblicke in die Funktionsweise der Natur erhalten. Das ist für mich persönlich ein tolles Gefühl.“
Im dritten Semester seines Bachelorstudiums hatte Karsten die Gelegenheit, programmieren zu lernen. Durch den Kurs an der Uni fühlte er sich gut gerüstet für ein Industriepraktikum bei der BASF und die Optimierungsaufgaben auf der Basis stochastischer Simulationen. „Nun ja, ich merkte schnell, dass ich doch nicht so viel konnte“, erinnert sich der Vorwärtsmacher. Aber er kniete sich rein und wurde besser und besser, sodass ihm BASF anbot, seine Bachelorarbeit zu betreuen. Dieser Praxisbezug war genau nach seinem Geschmack. Er sattelte den Master drauf.
Während seines Studiums zog es ihn außerdem ins Ausland, genauer gesagt in die USA an die Carnegie Mellon University in Pittsburgh, wo er sein Auslandspraktikum absolvierte und die Gelegenheit nutzte, auch seine Masterarbeit zu schreiben. „Das war sehr arbeitsintensiv“, erzählt Karsten, „aber ich hatte die Gelegenheit mit DEM Professor für dynamische Optimierung zu arbeiten, eine neue Programmiersprache zu lernen und viele neue Kontakte zu knüpfen, von denen ich noch heute profitiere.“ Arbeitsintensiv ging es weiter, denn direkt nach seiner Rückkehr aus den Staaten verteidigte er seine Masterarbeit und begann mit seiner Promotion, in der sich wieder alles um die Optimierung drehte. Prozesssimulationen und -optimierung sind die Instrumente, die der junge Promovend im interdisziplinären Wissenschaftlerteam eines Sonderforschungsbereichs nutzt, um neue, innovative Reaktorkonzepte zu entwerfen. Mathematik, Chemie, Programmierung – von allem ist etwas dabei, die perfekte Mischung für den Vorwärtsmacher.
Mit seinen Kollegen von der Uni Magdeburg und dem Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme forscht Karsten nach Möglichkeiten, die Sicherheit der chemischen Industrie zu verbessern, den Umweltschutz zu erhöhen und die Effizienz sowie die Nachhaltigkeit der Produktions- und Aufarbeitungsprozesse zu steigern. Komplexe biologische Systeme in der Biotechnologie sowie Mikro- und Nanotechnologie sind weitere Beispiele dafür, wie Grundlagenforschung als Bindeglied zwischen Naturwissenschaft und Ingenieurwesen technisch umgesetzt werden kann.
Auf die obligatorische Frage zum Schluss nach einem guten Rat für Studieninteressierte und Studierende antwortet der Vorwärtsmacher: „Künftigen Studenten und Studentinnen kann ich nur raten, sich nicht durch ihre Wahl der Abiturkurse leiten zu lassen, sondern das Studium zu wählen, was sie wirklich interessiert und dessen Themen sie begeistern. Der Beginn des Studiums ist wie ein Neuanfang und alles, was man braucht wird man währenddessen lernen – solange das Interesse und ein bisschen Fleiß vorhanden sind.“