Berufsnomadentum, sich jahrelang auf unbefristeten Stellen durchschlagen, Verzicht auf Familienplanung, unsichere Zukunftsperspektiven wissenschaftliche Karrieren in Deutschland sind beschwerlich und kaum planbar. Die Frage, warum sie sich trotz solcher Aussichten für eine Laufbahn in der Wissenschaft entschieden hat, beantwortet Petra Schwer so: „Ich bin ziemlich neugierig und gehe den Dingen gern auf den Grund. Auch macht es mir Freude, mit anderen gemeinsam zu forschen und mein Wissen an die Studierenden weiterzugeben.“
Forschung und Familie unter einem Dach
Die 39-jährige Mathematikerin Petra Schwer ist zum vergangenen Wintersemester auf die erste Tenure-Track-Professur des Landes Sachsen-Anhalt berufen worden. Als einzige Universität des Landes hatte die OVGU erfolgreich am Tenure-Track-Programm des Bundes teilgenommen und kann in den kommenden Jahren sieben Nachwuchsforscherinnen und -forscher auf einem verlässlichen Karriereweg bis zur unbefristeten Professur fördern und unterstützen. „Es ist schon gut zu wissen, dass es nach den fünf Jahren der Tenure-Track-Stelle eine Perspektive gibt, bleiben zu können. Die vielen Ortswechsel, die insbesondere im deutschen Wissenschaftssystem nötig sind auf dem Weg zur Professur, zehren ziemlich an einer Familie“, unterstreicht Professorin Schwer. Die Mutter von zwei Kindern weiß, wie schwer es für diese ist, die Schule wechseln und die Freunde zurücklassen zu müssen ohne, dass sie selbst darüber hätten mitentscheiden können.
„Für mich bieten sich hier in Magdeburg gute Anknüpfungspunkte in der Forschung. Die Fakultät für Mathematik ist gut aufgestellt, mit Blick auf ihre Größe sehr vielfältig und ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft mit dem vorhandenen jungen Team einiges bewegen werden“, begründet Professorin Schwer ihre Entscheidung, an die OVGU zu kommen. In den kommenden Jahren wird die Wissenschaftlerin auf dem Lehrstuhl für Geometrie an der Schnittstelle zwischen Geometrie und Algebra forschen. Sie beschäftigt sich mit Symmetrien mathematischer Objekte und deren Zusammenspiel mit den geometrischen Eigenschaften dieser Objekte. Ein aktuelles Projekt, das ihr besonders Spaß macht, wendet Methoden der geometrischen Gruppentheorie auf die Verbesserung von Algorithmen in der Wolkenforschung und Klimamodellierung an. Diese angewandte Ausrichtung ist aber die Ausnahme. Als mathematische Grundlagenforscherin hat sie die Strukturen selbst im Blick und zieht die Motivation nicht aus Anwendungszielen.
Ihre wissenschaftliche Arbeit verbindet sie mit Kollegen an Universitäten weltweit. „Das universitäre Forschungsumfeld ist die einzige Möglichkeit, mathematisches Grundlagenwissen zu erforschen. Keine Forschungs- und Entwicklungsabteilung würde mir diese Freiheit in der Themenwahl meiner Forschungsfragen ermöglichen. Es ist ein großes Privileg, so frei arbeiten zu können“, sagt Petra Schwer.
Vor der Umwandlung der Tenure-Track-Professur in eine Lebenszeitprofessur wird sich Petra Schwer am Erfolg ihrer Forschungen messen lassen müssen. Die Evaluationskriterien wurden im Rahmen der Berufungsverhandlungen gemeinsam mit dem Rektorat und dem Dekanat festgelegt. Dazu gehört auch die Lehre. Sie möchte Veranstaltungen in metrischer Geometrie, Topologie und geometrischer Gruppentheorie etablieren. „Diese Themen sind bisher nicht so stark vertreten, ergänzen aber das vorhandene Angebot gut“, ist sie sich sicher.
Von der Forschung in die Wirtschaft und zurück
Wie kam sie zur Mathematik? „Mir hat Mathematik schon immer viel Freude bereitet“, erzählt Petra Schwer. „So richtig begeistert aber war ich nach einer Mathe AG in der Schule, in der wir Themen diskutiert haben, die üblicherweise nicht Schulstoff sind, wie beispielsweise mathematische Unendlichkeiten oder nicht-euklidische Geometrie.“ Von dieser Begeisterung getragen, studierte Petra Schwer Mathematik an den Universitäten Ulm und Bonn. In Münster promovierte sie. Nach Aufenthalten in den USA und Frankreich folgte ein „Ausflug“ in die Wirtschaft 10 Monate arbeitete sie bei der RWE Power AG in Essen. Das war nicht das Richtige. Mit einer DFG-geförderten Stelle an der Universität Münster kehrte Petra Schwer in die Wissenschaft zurück, bevor sie als Juniorprofessorin für Geometrie im Herbst 2014 an das Karlsruher Institut für Technologie berufen wurde. Im Wintersemester 2017/18 war sie Vertretungsprofessorin an der Universität Heidelberg und im Frühling 2018 Prof. Invitée in Saint Étienne in Frankreich.
Eine Frage zum Abschluss: Was fasziniert Sie so an der Mathematik? „Mathematik besteht für mich darin, neue Strukturen und Zusammenhänge zu entdecken und zu beschreiben. Man spielt mit den Objekten und versucht, beobachtete Phänomene exakt zu beschreiben. Diese Mischung aus Kreativität und Stringenz bereitet mir große Freude.“ Für diese Faszination möchte sie vor allem auch junge Menschen begeistern.