93 Prozent der Menschen in Deutschland fühlen sich in ihrem Alltag wertgeschätzt, Geringschätzung erfahren deutlich weniger – jedoch immer noch jeder Zweite. Die meisten Menschen erfahren Wertschätzung vor allem in der Familie und im Freundeskreis, wohingegen Erfahrungen der Geringschätzung eher in öffentlichen Bereichen, wie zum Beispiel dem Arbeitsplatz, gemacht werden. Ostdeutsche und Westdeutsche fühlen sich im Alltag gleichermaßen wertgeschätzt, große Unterschiede bestehen aber nach Einkommen, Bildung und Erwerbsstatus. Das zeigte eine Studie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Die Soziologen Christian Schneickert, Jan Delhey und Leonie Steckermeier haben untersucht, wer sich in Deutschland in welchen Lebensbereichen wert- oder geringgeschätzt fühlt. So seien die Alltagserfahrungen der Wert- und Geringschätzung in Deutschland durchaus ungleich verteilt. Dabei mache die sogenannte Schichtposition einen großen Unterschied: Je höher das Einkommen und die Bildung einer Person, desto besser fällt auch die Wertschätzungsbilanz aus. Darüber hinaus haben die Forscher auch untersucht, welche Folgen Geringschätzung und Wertschätzung für die Betroffenen und die Gesellschaft haben. Dabei zeigte sich, dass die positiven und negativen Alltagserfahrungen nicht nur die persönliche Lebenszufriedenheit, sondern auch die Zufriedenheit mit der Demokratie deutlich beeinflussen.
Für die empirischen Analysen wurden Daten einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe von 3.580 Personen in Deutschland im Jahr 2016 ausgewertet. Die Daten wurden im Rahmen der Innovationsstichprobe als Teil des Sozio-oekonomischen Panels erhoben und ermöglichen erstmals detaillierte Einblicke in die Verbreitung und Bedeutung von alltäglichen Erfahrungen von Wert- und Geringschätzung. Die Studie ist in der renommierten Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie erschienen. Für ihren dort erschienenen Aufsatz „Eine Krise der sozialen Anerkennung? Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung zu Erfahrungen der Wert- und Geringschätzung in Deutschland“ haben die drei Wissenschaftler nun den zweiten Preis der Fritz Thyssen Stiftung für sozialwissenschaftliche Aufsätze erhalten, der mit 1.000 Euro dotiert ist. Dabei handelt es sich um den einzigen Zeitschriftenpreis in den Sozialwissenschaften außerhalb des englischsprachigen Raums.