Neben der aktuellen Themenlage gibt es an unserer Uni auch Dauerbrenner, über die immer wieder gesprochen wird - wie zum Beispiel über die Gestaltung unseres Campus. Neue Cafés, sanierte Gebäude und moderne Forschungslabore - der Campus ist stets im Wandel. An allen Ecken und Enden wird modernisiert und neu errichtet. Doch reicht das schon? Oder könnte unser Campus noch attraktiver sein, in dem wir zum Beispiel dafür sorgen, dass keine Autos mehr auf dem Campus fahren und parken? Oder in dem wir mehr Räume zum Austausch einrichten? Was möglich ist und wie diese Veränderungen ohne Vorschriften umgesetzt werden könnten, darüber hat Webredakteurin Ina Götze mit Prof. Oliver Speck gesprochen, der sich in einer Gruppe von Interessierten und Engagierten genau damit beschäftigt.
Heute zu Gast
In der fünften Folge besucht uns Oliver Speck. Er ist an der Fakultät für Naturwissenschaften Professor für Physik und forscht zum Thema biomedizinische Magnetresonanz. Neben dieser Tätigkeit ist er Mitglied der Arbeitsgemeinschaft „Campusgestaltung" und engagiert sich für dort für einen autofreien Campus.
Der Podcast zum Nachlesen
Introstimme: In die Uni reingehört. Der Podcast zur Arbeitswelt an der OVGU.
Ina Götze: Damit herzlich willkommen zur nunmehr 5. Folge von „In die Uni reingehört“. Mein Name ist Ina Götze und, ich arbeite in der Pressestelle als Webredakteurin. Auf unserem Campus hat sich in den letzten Jahrzehnten ganz, ganz viel getan. Der ein oder andere wird es auch ganz aktiv mitbekommen haben: Es sind neue Gebäude entstanden, alte wurden saniert, es sind neue Cafés eröffnet worden und aktuell wird zum Beispiel auch das Gebäude 12 auf Vordermann gebracht und unser Campus wird um den Wissenschaftshafen herum erweitert. Da fragt man sich natürlich, wo soll die Reise hingehen? Und einer, der sich damit beschäftigt, das ist Professor Oliver Speck. Er ist Professor für Physik und Mitglied einer neugegründeten Arbeitsgemeinschaft, die sich da nennt: „Campusgestaltung“. Diese entwickelt eine Strategie für unseren Campus für das Jahr 2030. Heute ist er hier zu Gast und schaut mit uns so ein bisschen in die Zukunft, nämlich in das Jahr 2030. Herzlich willkommen!
Oliver Speck: Liebe Frau Götze, ganz herzlichen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, mich hier der Universität und Ihnen vorzustellen und ein bisschen über eines der Themen, die mir am Herzen liegen zu sprechen. Wie gesagt, mein Name ist Oliver Speck, ich bin von Hause aus Physiker, hab an der Universität Freiburg studiert und promoviert, war dann nach einem mehrjährigen Aufenthalt in den USA zurück nach Deutschland gekommen und habe seit 2006 den Lehrstuhl für „Biomedizinische Magnetresonanz“ hier an der Fakultät für Naturwissenschaften inne. Ich beschäftige mich im Wesentlichen mit dem Thema Magnetresonanz. Also wir schauen in den Körper ohne ihn aufzuschneiden, insbesondere in das Gehirn, also die neurowissenschaftlichen Anwendungen liegen uns da sehr am Herzen. Zusätzlich bin ich seit drei Jahren Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften und habe auf die Art und Weise auch ein bisschen mehr Einblick in die Verwaltungs- und Leitungsstrukturen der Universität und nutze vielleicht auch ein wenig die Kenntnis und die Möglichkeiten, die ich da habe, um die Zukunft mitzugestalten.
Götze: Warum braucht unser Campus denn eine Strategie für das Jahr 2030? Also ich habs ja schon gesagt, es bewegt sich ganz viel, unser Campus hat sich viel verändert. Er hat sich ja gemausert. Warum muss das noch besser werden?
Speck: Wir haben einen, aus meiner Sicht, tollen Campus. Wir haben eine Campusuniversität, das ist nicht selbstverständlich. Das gibt der Universität Identität, es gibt auch Indentifizierungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter, für die Studierenden und Mitglieder der Universität. Aus meiner Sicht ist das Potenzial, das dieser Campus bietet aber noch lange nicht ausgeschöpft. Wir unterhalten uns immer wieder darüber, wie die Zukunft des Campus aussehen kann. Das Land stellt dafür Mittel bereit und wir müssen Pläne aufstellen als Institution, wie wir denn diese Mittel verplanen. Das ist relativ langfristig. Aktuell wird für die nächsten 10 Jahre ein solcher Plan aufgestellt. Die erste Idee hier letztendlich die bereits sanierten Gebäude weiter auf Vordermann zu halten ist aus meiner Sicht vielleicht etwas zu kurz gegriffen und wir sollten schauen, wie wir in der Zukunft ein bisschen visionärer unseren Campus, ja, sagen wir mal, zukunftsfähig machen können. Das geht einher mit der Notwendigkeit, dem Campus eine neue Energieversorgung zu ermöglichen, so ist also auch das Energiekonzept derzeit in Diskussion und da in dem Zusammenhang ohnehin größere Baumaßnahmen notwendig sind, können wir uns ja vielleicht überlegen, wie wir diesen Gestaltungsspielraum nutzen können, um kostengünstig uns in die Zukunft zu bringen.
Götze: Zwei Fliegen also mit einer Klappe schlagen. Es hat sich jetzt eine AG gebildet. Wie kam es dazu und wer wirkt in dieser AG denn mit?
Speck: Das Wort Arbeitsgemeinschaft ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Es gibt in dem Sinne keine formelle Institution an der Universität, die sich damit befasst. Es hat sich vielmehr eine Interessengemeinschaft gebildet von Personen, die sich anhand der Möglichkeiten, die sich uns in den nächsten Jahren durch die Planungen bieten, Gedanken gemacht haben, wie denn die Zukunft aussehen kann. Das ist eine Gruppe von etwa 10, im Wesentlichen aus dem Professoren- und Professorinnenkreis. Wir haben uns zum Ziel gemacht, Gedankenaustausch an der gesamten Universität zu starten und den Prozess anzustoßen, unsere Universität voranzubringen.
Götze: Ein Schwerpunkt in Ihren Überlegungen ist die Mobilität, also unseren Campus autofrei zu machen, oder autofreier. Kann das überhaupt funktionieren und wenn ja, wie?
Speck: Ja, Mobilität ist ein wichtiges Thema, nicht nur an dieser Universität. Es ist ein gesellschaftspolitisch wichtiges Thema. Aus meiner Sicht besteht ein gesellschaftlicher Konsens und auch ein politisch weitgehender Konsens, dass wir nicht nur eine Energiewende, sondern auch eine Verkehrswende wollen und in diesem Zusammenhang sollten wir uns als Universität fragen, wie denn die Mobilität in Zukunft am Standort aussehen kann. Derzeit ist es so, dass die Mobilität stark von dem Auto dominiert istWir sehen auch, dass der Campus selber ein sehr großer Parkplatz im Wesentlichen ist und es ist aus unserer Sicht durchaus notwendig, nicht nur drüber zu reden, eine Verkehrswende herbeiführen zu wollen, sondern auch aktiv, diese zu gestalten. Das sollte nicht an der Schwelle des Universitätscampus halt machen. Aus diesem Grund sind wir überzeugt davon, dass wir mit den richtigen Anreizen und den richtigen flankierenden Maßnahmen Mitarbeiter, Studierende und auch Besucher der Universität davon überzeugen können, dass man vielleicht das Auto ein bisschen weniger nutzen muss.
Götze: Diesen großen Parkplatz erkennen wir vor allem immer daran, wenn wir Fotos für Werbezecke oder ähnliches machen wollen, es stehen immer im Hintergrund oder auch im Vordergrund Autos. Es ist tatsächlich sehr, sehr schwer, den Campus ohne Autos zu fotografieren. In der Vorbesprechung hatten Sie ja auch gesagt, bei Google-Maps zum Beispiel sieht der Campus von oben sehr, sehr grün aus. Das sind aber die Bäume, nicht wahr?
Speck: Ganz genau. Unser Campus ist ein schönes abgeschlossenes Areal, aber der ganz überwiegende Teil der Freiflächen, wird als Parkflächen genutzt. Da sind oftmals Bäume, die über den Parkflächen, das von oben grün erscheinen lassen. Wir räumen dem Auto einfach sehr viel Platz auf dem Campus ein. Es sollte aus meiner Sicht eine Universität für Menschen und Mitarbeiter und Studierende sein und nicht nur für Autos.
Götze: Jetzt ist es ja so: Natürlich ein autofreier Campus und Grün hört sich für alle sicherlich toll an. Einige Mitarbeitende sind aber auch darauf angewiesen, mit dem Auto zu kommen, weil sie außerhalb wohnen oder weil sie vielleicht auch ihre Kids zu Kita bringen müssen. Wo sollen sie dann parken, wenn wir die Parkflächen nicht mehr haben?
Speck: Das ist absolut richtig. Es gibt natürlich viele Mitarbeitende und Studierende, die nicht sofort auf andere Verkehrsmittel umsteigen können. Das öffentliche Verkehrssystem im Land ist sicherlich nicht das Vorbildlichste bundesweit und aus dem Grund ist auch keiner in der Arbeitsgruppe, so nenne ich sie jetzt mal, so radikal zu sagen, wir sollten das Auto verbieten bzw. das Auto komplett vom Campus verbannen. Natürlich soll jeder, der es benötigt, sei es weil er Kinder zum Kindergarten bringen muss, weil er schwere Dinge transportieren muss, selber vielleicht nicht ganz so mobil ist, soll jeder nach wie vor das Auto nutzen können, wenn es denn nötig ist. Wir sind nur der Ansicht, dass es nicht unbedingt notwendig ist, das Auto gegenüber den anderen Verkehrsmitteln zu fördern, wie wir es aus unserer Sicht derzeit tun. Als Beispiel, ein Mitarbeiter, der mit dem öffentlichen Personennahverkehr anreist muss das selber bezahlen, wenn jemand mit dem Auto kommt bezahlt er natürlich sein Auto, den Parkplatz bekommt er aber von der Universität geschenkt. Das setzt aus unserer Sicht vielleicht die falschen Anreize und man sollte es attraktiver machen, mit alternativen Verkehrsmitteln, sei es öffentlicher Personennahverkehr oder auch das Fahrrad, die Uni zu erreichen und vielleicht ein wenig unattraktiver das Auto zu benutzen. Das heißt nicht, dass es keine Parkplätze mehr geben soll, es wäre aber schön, wenn wir vielleicht einen Kernbereich des Campus autofrei gestallten könnten. Man könnte Parkplätze durch ein Parkhaus am Rande des Campus generieren, so dass da sicherlich keine Knappheit bestehen wird, und es sollen natürlich auch keine Vorschriften gemacht werden. Es kann sich nach wie vor jeder selber überlegen, wie er denn den Arbeitsplatz erreicht.
Götze: Apropos selber überlegen, Hand aufs Herz: Sind Sie heute mit dem Fahrrad angereist … Denn, es regnet ja draußen.
Speck: Ja, es hat heute morgen sogar sehr stark geregnet. Ich bin passionierter Fahrradfahrer, ich lege in der Stadt nahezu alle Wege mit dem Fahrrad zurück. Ich bin auch heute Morgen – ordentlich ausgestattet mit Regenhose und Regenjacke – hier auf den Campus gekommen. Ich würde sagen, dass ich an 99 von 100 Tagen im Jahr das Fahrrad nutze für alle Wege. Ich habe mehrere Arbeitsstätten: Ich habe Büros auf dem medizinischen Campus, ich habe Büros hier auf dem Hauptcampus, ich habe auch Büros im Wissenschaftshafen. Und auch die Strecken zwischen diesen Arbeitsstätten lege oft mehrmals am Tag zurück und die je nach dem 20 Minuten vom Medizincampus zum Hauptcampus, die genieße ich als aktive Auszeit, in der man, insbesondere wenn man den Elberadweg nimmt, nicht ganz so eng in den Verkehr eingebunden ist und sich durchaus auch mal ein wenig freier Gedanken machen kann. Also ich seh das als Mehrwert, als Zeit, die ich gewinne und nicht als Zeit, die ich beim Autofahren verlieren würde.
Götze: Sehr löblich. Wenn man sich die Fahrradständer vor allem anguckt, die sind ja permanent voll. Es ist ja schon so, dass viele Studierende und Mitarbeitende mit dem Fahrrad kommen. Wenn sich jetzt noch mehr sagen: Finde ich gut, mache ich jetzt auch. Wo sollen die denn alle hin?
Speck: Also das ist aus meiner Sicht ein sehr einfach zu lösendes Problem. Wir haben sehr, sehr viele Parkplätze auf dem Campus. Ein Parkplatz benötigt 13 bis 15 Quadratmeter. Wenn jetzt nur einer nicht mehr mit dem Auto käme, dann könnten wir sicherlich 10 oder mehr Fahrräder auf dem frei werdenden Platz unterbringen. Aus meiner Sicht wäre es sogar sehr schön, wenn wir die Fahrradstellplätze, sagen wir mal attraktiver und vielleicht auch sicherer gestalten. Mir selber ist auch schon vom Campus nicht nur ein Fahrrad entwendet worden und das ist nicht besonders schön, wenn man aus der Vorlesung kommt. Es gibt aber Modelle, die an anderen Universitäten sehr erfolgreich praktiziert werden, zum Beispiel solche, ich sage mal, Fahrradkäfige, also tatsächlich gesicherte Fahrradabstellplätze, die auch nur für einen kleinen Personenkreis zugänglich sind. Wenn man für einen Stellplatz vielleicht mal eine Parkraumbewirtschaftung in Zukunft erzielen kann, man möglicherweise einen geringen Beitrag dafür zahlen müsste, dann sehe ich es auch absolut für angemessen, wenn jemand der sein Fahrrad sicher und wettergeschützt unterbringt auch dafür einen geringen Beitrag – ich kenn andere Universitäten, die fünf Euro pro Monat für einen sicheren Fahrradstellplatz budgetieren und mit dem Bau dieser Stellplätze nicht nachkommen, weil die Nachfrage sehr groß ist. So was könnte ich mir durchaus vorstellen. Wir würden in der Summe Platz sparen gegenüber Autos.
Götze: Fünf Euro dafür, dass man auch sicher ist, dass man nicht zu Fuß nach Hause gehen muss, finde ich ist absolut akzeptabel. Grundsätzlich sind wir ja an sich prädestiniert dafür, neue Mobilitätskonzepte zu entwickeln, denn einer unserer Forschungsschwerpunkte ist der Mobilitätscampus. Dazu zählt auch unser autonomes Lastenfahrrad. Wäre das eine sicherere und sinnvolle Ergänzung für uns?
Speck: Ich finde das Konzept sehr, sehr interessant und auch begeisternd. Sicherlich keine Lösung für alle Herausforderungen, die wir im Bereich der Mobilität haben, aber zum Beispiel für die laufende Erweiterung unseres Campus, insbesondere hin zum Wissenschaftshafen halte ich das für eine durchaus sehr sinnvolle Alternative. Es ist ja geplant, neben den Sanierungen und neuen Gebäuden im Wissenschaftshafen auch eine verkehrstechnisch neue Anbindung in Form einer Brücke bis hin zum Wissenschaftshafen zu gestalten und in so einem autofreien Raum kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Anbindung an den Wissenschaftshafen durch solche autonomen Lastenfahrräder verbessert werden kann. Das sollte aber damit nicht aufhören. Ich bin insgesamt der Meinung, dass Elektromobilität, von der wir sehr, sehr viel sprechen in urbanen Räumen nicht unbedingt ein zwei Tonnen schweres SUV sein muss, wie wir sie derzeit vermehrt angepriesen bekommen, sondern Elektromobilität könnte zum Beispiel Elektrofahrradmobilität sein – sehr viel nachhaltiger, leichter, verkehrs- und platzschonend. So gesehen passt das Lastenfahrrad hervorragend in ein solches Konzept.
Götze: Parken mit SUV in Stadtfeld ist ja ohnehin nicht so ganz leicht. Für alle, die übrigens unser autonomes Lastenfahrrad noch nicht kennen: Wir haben auch ein Wissenschaftspodcast, nennt sich „Wissen, wann du willst“ und da war Junior-Professor Schmidt mal zu Gast und hat das vorgestellt, was es ist, was es kann, was es eben auch mal soll – hören Sie da gerne auch mal rein. Den Podcast gibt es auch auf unserer Web-Site und auch auf den gängigen Streaming-Diensten wie Spotify, Apple und Ancour FM. Gerne mal reinhören.
Sie sagten es ja schon, es sollen keine Vorschriften gemacht werden, keine Verbote existieren – gibt es Ansätze in der Strategie, wie Mitarbeitende denn zum Umstieg bewegt werden sollen?
Speck: Ja, aus meiner persönlichen Sicht, sollten wir zwei Aspekte betrachten. Das eine ist, wir sollten Anreize schaffen öffentlichen Personennahverkehr, Fahrräder und vielleicht auch andere zukünftige Konzepte zu nutzen. Dazu zählt zum Beispiel ein vergünstigtes Job-Ticket. Wir haben in ersten Ansätzen so etwas an der Universität, aber da könnte man möglicherweise ein Konzept einer Universität, die wir uns ganz genau angeguckt haben, der TU Darmstadt, übernehmen, welche eine Parkraumbewirtschaftung zu sehr geringen Kosten von 20 Euro pro Monat eingeführt hat und gleichzeitig jedem, der einen Parkraum bezahlt ein Job-Ticket ermöglicht und umgekehrt, jeder, der ein Job-Ticket hat, für den gleichen Preis von ebenfalls nur 20 Euro im Monat, jeder, der dieses hat, darf auch parken, wenn er denn mal die Notwendigkeit hat, das Auto zu nutzen. Das war dort äußerst erfolgreich und solche Anreize könnte ich mir hier auch vorstellen, erfordert sicher eine Menge Koordination und Gespräche mit der Stadt, mit den Anbietern des Nahverkehrs und auch dem Kanzler der Universität, denn das muss ja auch finanziert werden. Andere haben das tatsächlich kostenneutral geschafft. Man könnte sich auch vorstellen, das Fahrrad attraktiver zu machen im Sinne von Unterstützung für die Fahrradfahrenden, neben den Abstellplätzen, die wir schon diskutiert haben, gibt es an vielen Stellen, auch schon in anderen Städten, Fahrradwerkstätten, wo man einen kleinen Defekt beheben kann, den berühmten Platten wieder repariert. Die dritte Möglichkeit, solche Anreize zu schaffen wäre ein Bike-Sharing-System, das auch an anderen Stellen schon erfolgreich eingesetzt wird. Hier ist sogar unsere Universitätsleitung seit einigen Monaten aktiv, mit möglichen Anbietern laufen bereits Gespräche. Die Grundidee ist, durch einen sehr geringen Semesterbeitrag die Nutzung dieser Fahrräder kostenfrei für alle zu ermöglichen.
Götze: Ja, ok.
Speck: Zumindest in gewissem Rahmen, also zum Beispiel die erste Stunde jeder einzelnen Anmietung wäre kostenfrei. Man hätte auch keinen Grundbeitrag zu leisten. Das wäre insbesondere in der Situation, in der wir ja doch nicht nur ein Campus sind, sondern mehrere Orte in der Stadt haben, eine Möglichkeit, den Verkehr zwischen den Campi etwas freundlicher und nachhaltiger zu gestalten.
Der zweite Teil des Anreizsystems, so möchte ich es nennen, wäre vielleicht das Auto ein wenig unbequemer zu machen. Es muss aus meiner Sicht nicht vor jedem Büro in sehr kurzer Entfernung ein Parkplatz existieren, sondern Parkplätze könnten vielleicht auch eher am Rand des Campus entstehen, um hier ebenfalls zu motivieren. Im Zusammenhang mit der Stadt gibt es auch eine Menge Möglichkeiten, das zu verbessern. Es gibt in Magdeburg erschreckenderweise, das war mir bis vor kurzem gar nicht bewusst, weil ich in der Stadt lebe, es gibt in Magdeburg keinen einzigen Park&Ride-Parkplatz. Was ich erschreckend finde, denn selbstverständlich können damit Mitarbeitende, die aus dem Umland ankommen auch schwerlich motiviert werden, vielleicht nur einen Teil der Strecke mit dem Auto zurückzulegen und dann den besonders herausfordernden Teil, der oftmals auch mit Stau verbunden ist, in der Stadt dann vielleicht mit der Straßenbahn zu überwinden. Also es gibt jede Menge Möglichkeiten, ich sage mal den Weg zur Arbeit insgesamt vielleicht angenehmer zu machen, insbesondere, wenn man auf das Auto verzichten möchte.
Götze: Ein anderer wichtiger Punkt in dem Campusplan ist die Gestaltung. Haben Sie denn ein Idealvorbild, wie unser Campus aussehen sollte?
Speck: Ja genau, wir haben uns als, ich sage mal Interessenvertretung, wir hatten das Arbeitsgruppe „Campusgestaltung“ genannt, natürlich nicht nur über die Mobilität Gedanken gemacht. Der Campus sollte sich, aus unserer Sicht, in Zukunft noch aktiver in das Leben der Stadt integrieren. Wir würden uns eine deutlich stärkere Identifikation der Stadt mit der Universität und dem Universitätscampus, also letztendlich aller Bürger Magdeburgs, wie auch umgekehrt der Studierenden mit ihrem Campus und der Stadt einsetzen wollen. Ich würde behaupten, dass das derzeit noch nicht optimal ist. Ich sehe sehr häufig, dass auf unserem Campus sehr viel Leben ist, jedoch hauptsächlich im Zusammenhang mit Vorlesungen und während der Vorlesungszeit. Obwohl wir sehr, sehr viele Studierende haben, die in direkter Nähe des Campus wohnen. Die ganzen Studentenwohnheime sind im Umfeld. Da ist doch nach Vorlesungsende oft große Stille auf dem Campus, und wir sehen insbesondere im Ausland aus meiner Sicht sehr positive Beispiele, wie ein Universitätscampus tatsächlich ein Teil des städtischen gesellschaftlichen studentischen Lebens sein kann, durch Integration von Dingen des Alltags. Sei es nur ein Bankautomat, Cafeterien haben wir schon einige, aber die meisten Leute gehen, wenn sie nicht in der Mensa essen wollen dann doch in Richtung Breiter Weg oder Universitätsplatz. Man kann sich sicherlich noch jede Menge anderer Angebote auf dem Campus vorstellen, um den Camus tatsächlich auch außerhalb der Studienzeit zu einem attraktiven Teil der Stadt zu machen und so die Stadt und die Universität zusammenwachsen zu lassen.
Götze: Unsere Cafeteria schließen ja auch relativ früh. Sie sind ja ab einem bestimmten Zeitpunkt auch nicht mehr offen, dass man sich nach der Vorlesung da noch aufhalten könnte. Was mir aber tatsächlich auch bereits aufgefallen ist, was in die Richtung geht: Vor unserem Gebäude 18 gibt es im Sommer immer das Zelt, wo dann auch die selbstgestalteten Bänke und auch normale Bänke drunter stehen. Das wird zum Beispiel im Sommer sehr, sehr gerne genutzt, dass da gegrillt wird, dass sich Studierende dort treffen. So was meinen Sie, dass es Stätten gibt, wo man sich auch außerhalb treffen kann?
Speck: Ganz genau. Das eine ist sozusagen, innerhalb des Arbeitsumfeldes Begegnungsstätten zu schaffen. Sie haben schon den Platz zwischen Gebäude 18 und 16 angesprochen. Das ist so eine der wenigen Grünflächen, die wir letztendlich Mitarbeitern und Studenten, ich sag mal, als Begegnungsraum zur Verfügung stellen. Das könnte aus meiner Sicht massive erweiterte werden. Wir sind ein Ort des kreativen Arbeitens, des Gestaltens. Das muss das Selbstverständnis einer Universität sein. Um das bestmöglich zu unterstützten, sind aus meiner Sicht auch äußere Bedingungen nötig, die es einem ermöglichen, nicht nur den ganzen Tag im Labor, im Büro oder vor einem Computerbildschirm zu sitzen, sondern Austausch mit anderen Mitarbeitern, mit Studierenden, mit anderen Fachbereichen, mit Personen anderer Expertise zu suchen und gleichzeitig Räume für etwas Ruhe vielleicht zu finden, um sich mal intensiver Gedanken über seine Arbeit und Forschung machen zu können. Es gibt ein paar solche Flächen, die sind in der Regel einzelnen Initiativen zu danken. So hat die Mathematik Räume, ich sage mal so eine Art Think-Tank, geschaffen, in den man sich zurückziehen kann. In der Informatik gibt es auch Räume. Es gibt einzelne Abteilungen, die sich, ich sage mal, kreative Sitzecken eingerichtet haben. Wenn ich an solchen Stellen vorbeikomme, sehe ich, dass da sehr häufig und sehr aktiv, sehr lebhaft miteinander interagiert wird. So etwas, vielleicht etwas institutionalisierter und an mehreren Stellen anzubieten, würde aus meiner Sicht der Universität, ja ein sehr viel freundlicheres und vielleicht auch für die Mitarbeiter eine größere Motivation geben.
Götze: Ist vielleicht für uns auch an der Stelle interessant, diese Räume vorzustellen, die es bereits gibt, weil man weiß es ja gar nicht. Man geht ja in der Regel nicht unbedingt in die Informatik und klappert erst mal jeden Raum ab, so dass man den vielleicht auch gar nicht kennt. Wenn der natürlich von allen zu nutzen ist, dann könnten wir da tatsächlich vielleicht einfach mal drüber informieren. Diese Begegnungsstätten halten die uns nicht auch von der Arbeit ab?
Speck: Das könnte man so sehen, wenn man einen Arbeitsplatz hat und seine Arbeit versteht als, ich arbeite die Aufgaben, die mir morgens gegeben werden bis zum Feierabend ab. Ich denke aber, dass wir in unserer heutigen Arbeitswelt andere Ansprüche haben und auch jeder Mitarbeiter andere Ansprüche an sich und seinen Arbeitsplatz stellen sollte und aus diesem Grund Möglichkeiten seine Arbeit, seinen Arbeitsplatz, sich selber weiterzuentwickeln gegeben werden müssen und so etwas auch gefördert werden muss. Das muss nicht jeden Tag sein, aber wie gesagt, in der Interaktion mit anderen Mitarbeitern, Mitstudenten, mit Personen, die man eben sonst nicht jeden Tag an seinem Arbeitsplatz trifft, sind aus meiner Sicht eine große Bereicherung. Der zweite Aspekt ist, wie gesagt, wir sind ein kreativer Ort. Wir wollen das auch sein und die Universität hat ja diesen Anspruch. Um kreativ zu sein, muss man auch die Freiräume schaffen, sich damit beschäftigen zu können.
Götze: Sehr, sehr gerne. Also ich finde es auch immer super spannend, was in anderen Fachbereichen abgeht, gerade wir sind ja auch davon abhängig, Neuigkeiten zu erfahren. Wenn dann natürlich die Möglichkeit noch gegeben sind, bei einem Kaffee einfach mitzubekommen, was auf dem Campus eigentlich so los ist, ist das glaube ich für alle eine Bereicherung. Diese Veränderungen, die Sie anstoßen, ist das Ihr persönliches Bauchgefühl oder kennen Sie die Bedürfnisse der Mitarbeitenden schon?
Speck: Wie ich eingangs schon gesagt hatte: Letztendlich sind wir eine Gruppe interessierter Laien, engagierter Kolleginnen und Kollegen, die was das angeht, kein wissenschaftlichen Hintergrund bezüglich der Fragestellung, über die wir uns unterhalten haben. Es ist aber nicht so, dass das alles komplett aus der Luft gegriffen ist. Wir haben uns umgeschaut bei anderen Universitäten. Ich hatte schon die TU Darmstadt genannt. Wir haben vor etwa anderthalb Monaten eine Zusammenkunft des sogenannten Akademischen Kreises der ProfessorInnenschaft gehab, bei der über 50 Kolleginnen und Kollegen explizit für das Thema „Zukunftsgestaltung des Campus“ aktiv beteiligt waren und wir Vertreter der Universität Darmstadt vor Ort hatten, die schon seit etwas 10 Jahren sich mit der Gestaltung und auch dem Mobilitätskonzept befassen. Dort wurden sehr ausführliche Umfragen vor und nach einer Änderung durchgeführt, so dass ich nicht glaube, dass wir uns hier komplett im luftleeren Raum bewegen. Sicherlich sind Rahmenbedingungen zwischen verschiedenen Städten und Universitäten unterschiedlich, aber die grundlegenden Ziele, Probleme und auch Lösungen, kann ich mir vorstellen, sind durchaus übertragbar. Einige der Vorschläge, die wir jetzt beginnen zu erarbeiten basieren auch auf den sehr, sehr erfolgreichen Umsetzungen, insbesondere an dieser Universität, die sogar so erfolgreich mit dem von mir vorher skizzierten Mobilitätsticket, so nennen sie das, also Kombination Job-Ticket und Parkplatz, gewesen sind, dass das Land Hessen mittlerweile jedem Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ein sogenanntes Landesticket ermöglicht, sodass jeder Mitarbeiter jederzeit alle öffentlichen Verkehrsmittel des gesamten Landes kostenfrei nutzen darf und am Wochenende sogar seine ganze Familie mitnehmen darf.
Götze: Nein!
Speck: Das ist eine Vision, ein Wunsch, den wir natürlich auch für Sachsen-Anhalt hegen. Der Weg ist sicherlich lang, aber wir müssen den Prozess natürlich starten und vielleicht auch hier ein positives Beispiel setzen, um unsere Politik zu motivieren, so was zumindest zu bedenken.
Götze: Die TU Darmstadt ist ja ein großes Vorbild, Sie haben es schon häufiger erwähnt. Gerade das Job-Ticket, hatten Sie in der Vorbesprechung gesagt, führte dazu, dass 30 Prozent weniger mit den Auto gekommen sind. Die tüfteln da natürlich schon eine ganze Weile dran. Was glauben Sie, wie lange werden wir brauchen?
Speck: Die benannte TU Darmstadt ist etwas seit 10 bis 15 Jahren aktiv, auch strukturell mit einer Abteilung für Mobilitätsmanagement in diesen Prozess involviert, hat, wie Sie sagen, innerhalb von einem Jahr nach Einführung dieser Maßnahmen etwa 30 Prozent weniger Mitarbeitende, die mit dem PKW zur Arbeit kommen und die Anzahl derer, die den öffentlichen Personennahverkehr nutzen sogar um 50 Prozent erhöht. Das ist ein aus meiner Sicht riesengroßer Erfolg und ist eben auch Beispiel für andere, aus meiner Sicht ein sehr positives Beispiel. Wir werden sicherlich nicht innerhalb kurzer Zeit solch große Veränderungen meistern können. Aus meiner Sicht sollten wir den Prozess aber aus diesem Grund eher früher als später starten und sicherlich erst einmal mit einzelnen Maßnahmen beginnen. Das könnte das schon angesprochene Bike-Sharing sein, das bereits auf dem Weg ist. Das könnte eine Parkraumbewirtschaftung sein. Etwas, was sicherlich nicht alle sehr gern hören, aber aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass wir einzelne Verkehrsmittel gegenüber anderen bevorzugen, sondern wir sollten das fair gestalten. Dazu gehört es auch, wenn man viel Platz auf dem Campus benötigt, möglicherweise dieses auch zu kompensieren. Der letzte Punkt sollte ein Anreiz sein, den öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere für die, die im Einzugsbereich wohnen, mehr zu nutzen. Dafür sind sicherlich eher mittelfristige Ziele anzustreben, denn das können wir als Universität natürlich nicht alleine.
Götze: Was sind denn so die nächsten Schritte, damit das Ziel in greifbare Nähe kommt?
Speck: Das Ganze ist ja noch ein zartes Pflänzchen würde ich sagen. Es sind jetzt einige engagierte Kolleginnen und Kollegen und auch Mitarbeiter involviert. Der nächste Schritt ist sicherlich auf allen Ebenen Akteure zusammenzubringen. Das beinhaltet Vertreter der verschiedenen Bereiche, der Fakultäten, der verschiedenen Statusgruppen, von den Studierenden angefangen über alle Mitarbeitenden bis in die Leitungsebene. Wir möchten auch Strukturen der Universität, also zum Beispiel die Planungs- und Haushaltskommission einbeziehen. Wir möchten das Studentenwerk mit einbeziehen. Ich habe in wenigen Minuten einen Termin im Nachhaltigkeitsbüro zwei Etagen höher. Die Stadt Magdeburg war schon bei unserem ersten Treffen aktiv involviert und engagiert. Die Fachschaften können sicherlich eingebunden werden und so weiter. Das Wichtigste ist erst einmal, einen Dialog in Gang zu setzen, um alle Beteiligten einzubinden, auch die Wünsche aller Beteiligten zu erfahren und zu berücksichtigen, um dann gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, das wir dann hoffentlich auch in großer Breite tragen können und vielleicht auch eine gewisse Begeisterung dafür entfachen, denn wir wollen ja, dass wir uns alle mit unserer Universität identifizieren und vielleicht auch stolz sind auf das, was wir erreicht haben und vielleicht auch noch erreichen können.
Götze: Begeisterung ist ein schönes Stichwort. Wenn jetzt die Mitarbeitenden da draußen, nachdem diesen Podcast gehört haben, sagen, da möchte ich mitwirken, da möchte ich mitmachen. Wie können Sie das tun?
Speck: Wir haben leider noch keine zentrale Anlaufstelle. Diese schon öfter benannte Arbeitsgruppe existiert in dem Sinn noch nicht formal, so dass ich jetzt leider keine Telefonnummer, Web-Seite oder weiß ich was, Facebook-Seite, nenne kann. Wir sind im Moment darauf angewiesen, dass die Repräsentanten der Institutionen, die ich gerade genannt habe, seien es Mitarbeitervertreter, Fachschaften, Studierendenwerk und so weiter, dass die vielleicht als Mediatoren im Moment dienen. Ich würde jedem raten, diese entsprechenden Repräsentanten für sie oder ihn anzusprechen, um das dann in die entsprechenden Gremien zu bringen, wo wir in Zukunft sicherlich häufiger über das Thema sprechen werden.
Götze: Wir sind fast durch. Es kommt zum Abschluss unsere beliebte Kategorie „Lange Rede, kurzer Sinn“. Ich gebe Ihnen drei Satzanfänge vor, Sie vervollständigen diese kurz und knapp, ein bis zwei Sätze. Sind Sie bereit?
Speck: Ja, mit ein wenig Furcht, aber ja.
Götze: [lacht] Mein Lieblingsplatz auf dem Campus ist …
Speck: … sind die Labore. Das sind für mich bisher Orte der Begegnung, Orte der Innovation und auch Orte, an denen man manchmal vielleicht sogar manchmal ein wenig Ruhe findet. Ich interagiere extrem gerne dort intensiv mit Mitarbeitern und Studierenden.
Götze: Auf dem Campus fehlt mir …
Speck: … das schon benannte Leben außerhalb des Studiums. Das wäre eine große Bereicherung aus meiner Sicht, wenn wir das erreichen könnten.
Götze: Der Campus wird in den nächsten 10 Jahren …
Speck: … hoffentlich zum großen Teil befreit von der Last der vielen Automobile, die ihn bevölkern.
Götze: Ich finde, das sind alles gute Aussichten. Ganz, ganz vielen Dank, dass Sie hier waren. Danke auch, dass Sie sich da so engagieren. Es hat sich viel getan, das muss man festhalten. Unser Campus ist schon schnieker geworden. Er kann natürlich aber noch schöner werden. Wenn wir da alle dran mitwirken, können wir das natürlich auch schaffen.
Danke fürs Zuhören. Sie wissen jetzt, wenn Sie sich beteiligen möchten, wie Sie das machen können.
Wenn Sie Themenideen haben, Feedback, Lob, Kritik zu diesem Podcast oder auch generell zum Podcast haben, immer gerne an . Die nächste Ausgabe gibt es dann im Mai, denn im April gibt es wieder einen Wissenschaftspodcast zum Thema „Wie aus Sonnenblumen Waschmittel werden“. Also auch da sehr, sehr gerne einschalten. Bis dahin: Auf Wiedersehen!
Speck: Ganz herzlichen Dank auch von meiner Seite.
Introstimme: In die Uni reingehört. Der Podcast zur Arbeitswelt an der OVGU.