Ein Ort, wo sich Frauen aus der Wissenschaft über ihre Ziele und Bedürfnisse in gerade diesem Feld austauschen und Erfahrungen teilen können - diesen Ort, die Ladies Night for Women in Engineering Sciences, erschaffen Dr. Nicole Vorhauer-Huget von der Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik und ihre wissenschaftliche Hilfskraft Flavia Rühl an der Uni Magdeburg. In diesem Jahr feiert die Ladies Night ihr zehnjähriges Bestehen an der Universität.
2012 ist die Veranstaltung aus einer Idee von Emmanuel Fischer, zu dem Zeitpunkt Student und aktiv im Studierendenrat, und Dr. Nicole Vorhauer-Huget entstanden. Damals noch in kleiner Runde, gemütlich mit Tee und Keksen, wurde sich zu verschiedenen Themen ausgetauscht und zwei Professorinnen haben über ihren Lebenslauf, ihre wissenschaftliche Karriere und ihre Erfahrungen referiert. „Die Idee dahinter ist es, dem potenziellen wissenschaftlichen Nachwuchs weibliche Vorbilder aus der Wissenschaft zu präsentieren. Gerade in den Ingenieurwissenschaften existieren aktuell zu wenige weibliche Vorbilder und wenn sie existieren, dann sind sie meistens nicht sichtbar genug und das, obwohl sie in ihren Disziplinen renommiert und ihre Forschung weltweit führend ist“, erzählt Dr. Vorhauer-Huget, die selbst eine binationale Promotion in Frankreich und Magdeburg erlangt hat. „Aber auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen werden Wissenschaftlerinnen häufig nicht so wahrgenommen, wie ihre männlichen Kollegen. Anders gesagt: Wer kennt zum Beispiel Christiane Nüsslein-Volhard, die erste deutsche Nobelpreisträgerin. Ihr Geburtsort ist Heyrothsberge, ein kleiner Ort östlich von Magdeburg. Oder Dorothea Christiane Erxleben, gebürtige Quedlinburgerin und erste deutsche promovierte Ärztin?“
Bei der Ladies Night war den Organisatorinnen und Organisatoren von Anfang an der Austausch und die Vermittlung bestimmter Werte wichtig: „Das, was wir den jungen Frauen mit auf den Weg geben wollen, ist, dass sie sich nicht verunsichern lassen sollen und trotz mancher Rückschläge oder Unwegbarkeiten an ihren Zielen festhalten sollen.“ So wie zum Beispiel Dorothea Erxleben, die 1754 trotz enormer Hürden und als Mutter von 4 Kindern ihre Promotion ablegte. „Fast 300 Jahre später sind das Studium und die Promotion für Frauen natürlich längst selbstverständlich, aber dennoch scheinen sie nicht die gleichen Karrierechancen zu haben wie Männer“, meint die Wissenschaftlerin.
So sei es für Frauen oft noch immer ungleich schwerer, eine Karriere im Wissenschaftssystem anzustreben als ihre männlichen Kollegen, da zum Beispiel häufig familiäre Verpflichtungen mit den eigenen beruflichen Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen. Hinzu komme, dass sie eben im Ingenieurbereich oft unterrepräsentiert seien und entsprechend weniger weibliche Vorbilder existieren, meint Dr. Nicole Vorhauer-Huget. „Das belegen zum Beispiel Zahlen von Studierenden und Professuren. Im Wintersemester 2018/19 waren nur circa 22 Prozent der Studierenden der drei Fakultäten Maschinenbau, Verfahrens- und Systemtechnik und Elektrotechnik und Informationstechnik weiblich und nur 8 Prozent der Professuren waren durch Frauen besetzt. Wir nennen diese Diskrepanz die ‚leaky pipeline‘, also eine undichte Leitung. Obwohl Frauen nach ihrem Studium mindestens genauso gut qualifiziert sind wie ihre männlichen Kommilitonen, verringert sich ihr Anteil in den Karrierestufen bis zur Professur. Wo es aber einmal eine Frau geschafft hat, kommen weitere nach. Frauen übernehmen also eine Vorbildfunktion als sogenannte ‚Role Models‘, und das nicht nur für weibliche Kolleginnen, sondern natürlich auch für Männer.“
Die Ladies Night hat den Anspruch, nicht nur Wissenschaftlerinnen in frühen Karrierephasen mit den erfolgreichen Frauen zusammenzubringen und zu vernetzen, sondern auch Karrierewege und alle dafür existierenden Förderungen der Universität Magdeburg aufzuzeigen. Dafür arbeitet Nicole Dr. Vorhauer-Huget zur Vorbereitung der Veranstaltung intensiv mit dem Gleichstellungsbüro und dem Familienbüro der Universität zusammen. Dabei ist die Zeit neben Forschung und anderen Verpflichtungen für sie oft knapp und die Organisation der Veranstaltung, die sie ehrenamtlich übernimmt, viel Arbeit. „Aber Arbeit, die es wert ist, wenn sie dazu beiträgt, Wissenschaftlerinnen in frühen Karrierephasen zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu finden.“ Tatkräftige Unterstützung erhält sie dabei von der Biosystemtechnik-Studentin Flavia Rühl.
Denn mittlerweile hat die Veranstaltung meistens über hundert Teilnehmende, nicht nur Studierende und Doktoranden, sondern auch Post-Docs, Professorinnen und Professoren und auch Interessierte aus dem Gleichstellungsbereich. Und die Veranstaltung ist mittlerweile stark interdisziplinär ausgerichtet. „Die zunehmende fachrichtungsübergreifende Vernetzung ist ein wichtiger Schritt, um mehr Wissenschaftlerinnen miteinander in Kontakt zu bringen und vielfältigere Erfahrungen auszutauschen. Darum arbeiten wir seit einigen Jahren auch mit dem Max-Planck-Institut und dem Fraunhofer-Institut in Magdeburg zusammen“, so Dr. Vorhauer-Huget.
Seit drei Jahren wird bei der Ladies Night außerdem der „Posterpreis für Wissenschaftlerinnen in frühen Karrierephasen“ vergeben. Studentinnen können ein Wissenschaftsposter über eine ihrer Forschungsarbeiten, zum Beispiel Bachelorarbeit oder Masterarbeit, einreichen. „Dieses Jahr haben wir eine Rednerin bei der Ladies Night, die vor zwei Jahren diesen Posterpreis bekommen hat“, erzählt die Wissenschaftlerin lachend. „Sie hat uns eine E-Mail geschrieben und sich bedankt und meinte, dass sie ihren Job am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt vielleicht ein Stück weit auch wegen ihrer Auszeichnung bekommen habe und jetzt etwas zurückgeben möchte und deswegen gern als Rednerin dabei sein würde. Irgendwie also eine echte Erfolgsgeschichte für uns.“
Die nächste Ladies Night findet vom 19. bis 22. April 2022 in primär digitaler Form statt. „Die Veranstaltung wird nicht nur an einem Abend, sondern eine ganze Woche lang stattfinden. Wir haben die Woche nach Thementagen aufgeteilt. Es wird zum Beispiel einen Tag zur Informatik und einen Tag zur Statistik und medizinischen Forschung geben. Neben Vorträgen von etablierten Wissenschaftlerinnen werden sich auch Unternehmen aus der Region vorstellen. Geplant sind auch eine Lesung und viele Möglichkeiten zur Diskussion und Vernetzung. Da sollte für jede etwas dabei sein“, fasst Flavia Rühl abschließend zusammen.