Trotz überstandener Corona-Infektion leiden Schätzungen zufolge 10 bis 20 Prozent der Betroffenen noch Wochen oder Monate an den Folgen der Krankheit. Welche Spätfolgen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftreten können und wie Betroffenen besser geholfen werden kann, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Uni in zwei Verbundprojekten. In ganz Deutschland fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 10 Forschungsverbünde zu den Spätfolgen von COVID-19 mit insgesamt 6,5 Millionen Euro über die kommenden zwei Jahre.
Antriebslosigkeit und Ängste nach Corona-Erkrankung
In dem Forschungsprojekt „PsyLoCo“, koordiniert von der Technischen Universität München gemeinsam mit den Standorten Magdeburg und Halle (Saale), soll ein therapeutischer Ansatz entwickelt werden, der speziell auf psychische und psychosoziale Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten mit Long-COVID abzielt. „Die anhaltenden Beschwerden nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 umfassen ein breites Spektrum an Symptomen, von Antriebslosigkeit bis hin zu Ängsten, aber auch Schmerzen. Aus diesem Grund ist die Erhebung und Beschreibung spezifischer Bedürfnisse von Betroffenen wichtig, um effektive therapeutische Maßnahmen zu entwickeln und damit die Lebensqualität von Betroffenen wieder zu steigern“, erläutert Prof. Dr. Florian Junne, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Magdeburg. Er untersucht in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitätsklinik Tübingen eine von zwei spezialisierten Corona-Kohorten. Beide zusammen umfassen insgesamt mehr als 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit positivem SARS-CoV-2-Test. „Wir werden anhand der gesammelten Daten den Therapiebaustein für psychosoziale Bewältigungsstrategien entwickeln und in einem patientenzentrierten Ansatz umsetzen.“ Zu dem gesamten Forschungsverbund zählen zudem auch die Uniklinik Ulm und die Uniklinik Freiburg. Damit sind gleich mehrere Standorte des künftigen Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG), zu denen auch die Universitätsmedizin Magdeburg gehören wird, in diesem Projekt vertreten.
Prof. Dr. Florian P. Junne (Foto: Melitta Schubert / UMMD)
Autoimmunerkrankungen und Allergien nach Corona-Erkrankung
Obwohl die eigentliche Corona-Virus-Infektion bei Kindern und Jugendlichen in der Regel sehr mild oder gar asymptomatisch abläuft, können auch diese an Long-COVID leiden. Es fehlt jedoch an genauen Daten zur Krankheitslast, ebenso fehlen diagnostische und therapeutische Leitlinien oder spezielle Rehabilitationsprogramme für Kinder und Jugendliche. In dem Projekt „LongCOCid“ wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitätsmedizinen Magdeburg, Jena (Koordination) und Ilmenau dieses Krankheitsbild umfassend erforschen. Ziel ist es, spezielle Behandlungen für Kinder und Jugendliche sowie deren Rehabilitation zu etablieren. Dazu werden unter anderem Daten aus Ultraschalluntersuchungen von Herz und Lunge, aber insbesondere auch immunologische Veränderungen erfasst. „Da Long-COVID-19-Symptome bei Kindern und Jugendlichen auch für Autoimmunkrankheiten charakteristisch sind, wollen wir untersuchen, ob Betroffene für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen oder Allergien besonders gefährdet sind“, erläutert Prof. Dr. Monika Brunner-Weinzierl, Leiterin der Experimentellen Pädiatrie der Universitätsmedizin Magdeburg.
Das Magdeburger Forschungsteam um Prof. Monika Brunner-Weinzierl (links), Dr. Lars Choritz (rechts) und Prof. Dr. Dirk Reinhold (Foto: Sarah Kossmann / UMMD)
Im Fokus der Forscherinnen und Forscher steht zudem die systematische Erfassung von immunologischen Markern, die auf eine Entzündung am Gefäßsystem im Gehirn hinweisen könnten. „Wir gehen davon aus, dass durch die Verknüpfung unserer Daten mit allen Daten des Konsortiums Biomarker identifiziert werden können, die zur Diagnose von Long-COVID-19 und zur Vorhersage des langfristigen Krankheitsverlaufs beitragen“, erläutert die Wissenschaftlerin. Der Magdeburger Immunologe Prof. Dr. Dirk Reinhold vom Institut für Molekulare und Medizinische Immunologie und Augenarzt Dr. Lars Choritz von der Universitätsaugenklinik sind ebenfalls an der Studie beteiligt.