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Portrait Prof. Reint Gropp (Foto: Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle)
18.01.2023 aus 
Forschung + Transfer
Wie schaffen wir es durch die Inflation?

Die Finanz- und Coronakrise haben viele Branchen vor extreme Herausforderungen gestellt - nun sind durch die Energiekrise alle Bereiche der Wirtschaft betroffen; und auch Privathaushalte spüren die Auswirkungen deutlich mehr. Was Unternehmen, Privatpersonen und die Politik tun können, um auch diese Krise zu überstehen, mit welchen Maßnahmen wir aus der Inflation kommen und was die Gaspreisbremse bringt, darüber spricht der Ökonom Prof. Reint Gropp im Interview.

Es gab in den letzten Jahren schon mehrere wirtschaftliche Krisen –die Finanz- oder Coronakrise zum Beispiel. Was unterscheidet diese von der aktuellen Situation?

Die letzten Jahre haben wir eigentlich drei große Krisen gesehen: die Finanzkrise, die Coronakrise und die jetzige Energie-Inflationskrise. Und alle drei haben einfach sehr unterschiedliche Ursachen. Die Finanzkrise hatte die Ursache, dass die Subprime-Märkte in den USA, also diese Hypotheken-Märkte für niedrige Einkommen zusammengebrochen sind, was überraschenderweise riesige Auswirkungen hatte auch auf das deutsche Finanzsystem und dann eben auch auf die deutsche Wirtschaft. Die Wirtschaft ist um 5 Prozent geschrumpft.

Corona hatte Auswirkungen, einfach weil bestimmte Geschäftszweige dichtmachen mussten. Sie durften nicht operieren, Restaurants, Hotels, Reisen usw. hatten geschlossen. Das hat übrigens ungefähr die gleiche Auswirkung auf das Bruttosozialprodukt, auch ungefähr 5 Prozent. Völlig unterschiedliche Ursache, aber gleiche Auswirkungen.

Die jetzige Krise ist verursacht durch den Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine, was dann eben zu sehr, sehr starken Anstiegen bei den Energiepreisen, insbesondere Gas geführt hat und damit eben auch zu sehr hohen Inflationsraten. Übrigens: Die Auswirkungen auf das Bruttosozialprodukt sind kleiner diesmal, jedenfalls laut unserer Schätzung. Und es sieht im Moment auch so aus, als hätten wir da Recht. Wir sind eher bei minus 2 bis minus 3 Prozent im Bruttosozialprodukt.

Das sind gute Neuigkeiten.

Ja, weiß ich nicht, ob das gute Neuigkeiten sind. Jedenfalls ist es so, dass jede Krise so schlimm ist, wie die Wirtschaft sich nicht anpassen kann. Sagen wir so: Wenn die Wirtschaft sich anpassen kann, werden Krisen gar nicht so schlimm. Bei der Finanzkrise war es insofern schlimm, als dass es eben das Finanzsystem betroffen hat und damit eigentlich alle Branchen, alle Industriezweige, alle Haushalte. Niemand konnte sich Geld leihen, die Banken untereinander konnten sich kein Geld leihen. Und wenn das Geld nicht mehr zirkuliert, funktioniert die Wirtschaft nicht. Und das war sehr schwer dann für die Wirtschaft als Ganzes, sich daran anzupassen und deswegen diese dramatischen Auswirkungen auf das Wachstum mit minus 5 Prozent. Bei Corona war es ähnlich, also wenn ganze Branchen dichtmachen, dann können die Leute sich nicht anpassen, können nichts tun und deswegen auch diese relativ starken Auswirkungen.

Bei der Energiekrise ist es anders. Wir reagieren halt. Die Haushalte reagieren, man konsumiert weniger Energie, die Unternehmen reagieren sehr stark. Wir haben am Institut auch einige Studien dazu gemacht, welche Sektoren besonders energieintensiv produzieren. Und es stellte sich raus, genau diese Sektoren haben tatsächlich auch ihre Produktion zum größten Teil sehr stark runtergefahren oder sogar eingestellt, was sehr viel Energie einspart. Gleichzeitig haben wir Flüssiggas-Terminals installiert, sehr viel schneller als wahrscheinlich die meisten das erwartet hätten, zumindest ich das erwartet hätte. Wir importieren jetzt mehr Flüssiggas, sind also nicht angewiesen auf die Pipelines aus Russland. Das heißt, wir reagieren darauf und damit sind dann die Auswirkungen weniger dramatisch, als bei den vorherigen beiden Krisen.

Subjektiv betrachtet ist die aktuelle Wirtschaftskrise deutlich mehr zu spüren – vor allem in den Preisen für Lebensmittel, Strom und Gas. Warum ist das so?

Ja, gut, Sie sind während der Finanzkrise auch nicht arbeitslos geworden oder während der Coronakrise. Wenn Sie einen Ober gefragt hätten, der in einem Restaurant arbeitet und nicht arbeiten kann und nicht bezahlt wird, der hätte Ihnen nicht gesagt, dass die gegenwärtige Krise größere Auswirkungen hat. Aber natürlich ist es so, dass eine Inflation alle betrifft. Erst einmal hat jeder einen Energieverbrauch, jeder hat eine Wohnung, die er heizen will, jeder kauft Lebensmittel, die sehr stark im Preis gestiegen sind. Insofern betrifft es einfach die gesamte Bevölkerung, wenn auch nicht gleichmäßig. Es betrifft die Leute nämlich sehr unterschiedlich, aber es betrifft eben alle direkt. Sie gehen jeden Tag in den Laden und auch wenn sie nicht arbeitslos geworden sind, jetzt durch die Krise und es wahrscheinlich auch nicht werden, merken sie eben doch die Auswirkungen.

In den vorherigen Krisen waren es eben überwiegend die Leute, die von den Branchen direkt betroffen waren, die in Kurzarbeit waren, die arbeitslos geworden sind. Sie müssen ja bedenken, dass während Corona schon eine halbe Million Leute mehr arbeitslos waren. Kurzzeitig oder zumindest in Kurzarbeit deutlich weniger verdient haben als vor Corona. Und diese Auswirkungen sind dann für die noch viel dramatischer als jetzt. Aber jetzt ist es eben auf einer sehr breiten Ebene für alle. Jeder kauft Milch und jeder hat eine Heizung und will warm sitzen. Gerade wo es jetzt kalt geworden ist. Insofern merken Sie es persönlich vielleicht mehr.

Warum haben denn die anderen Krisen nicht zu einer Inflation geführt?

Krisen führen eigentlich eher zu einer Abnahme des Bruttosozialprodukts, also einer Reduktion in der Nachfrage zum Beispiel. Bei der Finanzkrise, weil die Leute kein Geld hatten, um es auszugeben. Bei der Coronakrise, weil die Leute zwar Geld hatten, aber es nicht ausgeben konnten. Sie konnten nicht ins Restaurant gehen und nicht ins Theater. Oder sie haben es aufs Sparkonto gepackt und das führt eher zur Deflation. Also dann sinken die Preise. Während es jetzt so war, dass die Energiepreise sehr stark gestiegen sind. Wir konnten kein Gas oder wollten kein Gas importieren oder Putin wollte es uns nicht verkaufen. Je nachdem wie man es sieht. Und dadurch sind die Energiepreise sehr stark gestiegen. Und wenn die Energiepreise steigen, betrifft das fast alle Sektoren. Alles was sie tun, hat irgendwas mit Energie zu tun, alles, was sie produzieren. Jedes Unternehmen verbraucht Energie, um etwas zu produzieren. Das heißt, alle Preise steigen auf breiter Front und deswegen eben diese inflationären Tendenzen, die es in den beiden anderen Krisen nicht gab.

Welchen Einfluss haben denn die Prognosen auf das Verhalten von Konsument*innen und Unternehmen? Wird die Krise durch die Verunsicherung vielleicht herbeigeredet?

Also zunächst mal ist es als Ökonom ja so, dass Erwartungen so ziemlich das Wichtigste sind, was wir sehen in der Wirtschaft. Wie eine Wirtschaft funktioniert, ist furchtbar wichtig und was die Leute erwarten. Wenn die Leute erwarten, dann tritt es meist auch ein. Also jedenfalls, wenn es genug Leute erwarten, weil sie eben ihr Verhalten anpassen, nicht an den Zeitpunkt, wenn etwas eintritt, sondern sie verändern ihr Verhalten dann, wenn sie erwarten, dass etwas in der Zukunft eintreten wird. Wenn Sie erwarten, dass Sie nächstes Jahr zehnmal so hohe Energiekosten haben, dann schränken Sie Ihren Konsum jetzt ein, was zu einer Rezession führt, weil Sie ja etwas sparen wollen, zum Beispiel, um dann diese höheren Kosten zu tragen. Das heißt, die Erwartungen sind sehr wichtig. Und wenn die Regierung wie in unserem Fall nicht besonders kohärent kommuniziert, um es mal freundlich auszudrücken, sehr unsicher ist und selbst sehr unvorbereitet auf diese Krise war – vielleicht auch, weil sie neu im Amt war. Deswegen hat sie sehr unzusammenhängend kommuniziert. Die Leute waren sehr verunsichert, was dann natürlich die Krise noch viel schlimmer macht. Es war ja so, dass zum Beispiel die Heizkosten für Haushalte den Sommer über überhaupt keine Rolle gespielt haben. Die Leute haben gar nicht geheizt, weil es ein sehr heißer Sommer war. Aber allein die Erwartung, diese Aussicht, diese Diskussion auch in den Medien über diese unglaublich steigenden Preise, hat zu einer Verunsicherung geführt. Und dann eben auch zu mehr Rufen nach Subventionen und mehr Rufen nach „Oh, wir sind in einer riesigen Krise. Uns muss geholfen werden“. Auch wenn die Krise vielleicht noch gar nicht da war.

Viele befürchten, dass die Preise – vor allem für Strom, Gas und Benzin – auf Dauer so hoch bleiben. Wie realistisch ist das und wäre das auf Dauer für die Wirtschaft und Privathaushalte machbar?

Ich glaube, dass man diese Krise auch ein Stück weit als Chance begreifen sollte. Also wir haben ja nun schon in den letzten 10 - 20 Jahren versucht, das „Paris Accord“, das Klimaabkommen umzusetzen. Nicht mit besonders viel Erfolg, würde ich jetzt mal so sagen. Und als Ökonom sage ich dann eben: Na ja, das war nicht so erfolgreich, weil eben Energie immer noch so billig war, weil Gas billig war, was aus Russland kam, weil Öl relativ billig war. Und wenn die Leute keine Anreize haben, auf grüne Energie von brauner Energie umzusteigen, dann tun sie es eben auch nicht. Da kann Herr Scholz oder Frau Merkel oder die Umweltminister oder -ministerin so viele schöne Worte finden. Die Leute tun es nur dann, wenn es was kostet und wenn sie Anreize haben, es zu tun. Und diese Krise führt jetzt tatsächlich dazu, dass die Leute sehr starke Anreize haben, sehr viel mehr darüber nachzudenken, sehr viel ernster darüber nachzudenken.

Aber vielleicht noch wichtiger: Haben die Unternehmen sehr viel größere Anreize, darüber nachzudenken, welches Geschäftsmodell in der Zukunft mit höheren Energiepreisen noch funktionieren kann. Sie haben viel mehr Anreiz, darüber nachzudenken, wie sie von braune auf grüne Energie umsteigen können. Und insofern denke ich schon, dass Energiepreise höher bleiben werden, weil wir umsteigen werden. Und das ist nicht umsonst. Das kostet kurzfristig erst mal Geld. Aber es wird eben auch die Innovation in grünen Energien befeuern. Das wird die Innovation in den Unternehmen antreiben, neue Lösungen zu finden für die Probleme, die sie haben. Und insofern, wenn Sie fragen: „Kann denn die Wirtschaft das überhaupt stemmen?“ Ja, natürlich kann die Wirtschaft das stemmen, wenn wir sie lassen. Wenn wir es zulassen, dass sie das stemmt. Und tatsächlich sehe ich es so, dass wir wahrscheinlich aufgrund dieser Krise im Sinne der Klimaziele deutlich mehr vorankommen werden in den nächsten Jahren, als wenn wir die Krise nicht gehabt hätten. Insofern ist es auch was Gutes.

Mit welchen Maßnahmen könnte die Politik den wirtschaftlichen Abschwung etwas entschärfen?

Es ist wichtig, dass wir verstehen, dass wir, wenn wir aus diesen hohen Inflationsraten wieder rauskommen wollen – und ich denke, 10 Prozent Inflation sind zu hoch, was wir im Moment haben –, dass das nicht ohne einen Rückgang in der Nachfrage geht. Und das ist jetzt so ein bisschen verharmlosend ausgedrückt, ohne dass wir eine Rezession haben, ohne dass es den Leuten schlechter geht, wenn es ihnen schlechter geht, können sie weniger nachfragen. Das ist so, da wird kein Weg dran vorbeiführen. Aber was eben die Politik tun kann und was auch die Zentralbank tut, aber insbesondere die Politik ist, darüber nachzudenken, wer die meisten dieser Kosten, die wir haben müssen, trägt. Also tun es alle gleichmäßig oder versuchen wir es so zu organisieren, dass diese Rezession hauptsächlich diejenigen betrifft, die es sich eher leisten können?

Und deswegen sind eben auch die Maßnahmen im Moment, die die Bundesregierung ergriffen hat, sehr Gießkannenmäßig, davon profitieren alle. Also wenn Sie einen Tankrabatt machen, profitieren diejenigen, die viel mit dem schnellen Auto fahren. Das sind vielleicht nicht die Ärmsten der Bevölkerung. Und das ist eben wichtig, dass wir das richtig hinbekommen, dass diejenigen, die es sich leisten können, tatsächlich diese Kosten auch dann am meisten tragen. Und dass wir diejenigen auch nicht vollständig kompensieren, aber doch überwiegend kompensieren, die es sich nicht leisten können. In anderen Worten: Wir wollen natürlich weiterhin Anreize erhalten, Energie einzusparen, zum Beispiel auch das Konsumverhalten zu ändern, als Antwort auf diese neuen Verhältnisse. Das heißt, die Preise müssen noch aussagekräftig sein. Deswegen ist so eine Strompreisbremse oder eine Gaspreisbremse aus ökonomischer Sicht ein bisschen problematisch, weil der Staat in die Preise eingreift und damit haben die Leute dann plötzlich nicht mehr die richtigen Anreize, Energie zu sparen. Das wollen wir eigentlich nicht. Und eben auch, weil jeder davon profitiert - Sie, ich. Wir profitieren alle davon. Muss ich jetzt davon profitieren? Wahrscheinlich eher nicht. Sondern man sollte das Geld eher darauf verwenden, dass eben wirklich die Ärmsten, die Einkommensschwächsten, die es sich wirklich nicht leisten können, mehr für Energie zu bezahlen, dass die und nur die davon profitieren und das tut leider die Bundesregierung im Moment nicht.

Wie können Unternehmen ohne staatliche Hilfen die Zeit denn überstehen?

Die Unternehmen müssen sich überlegen, ob sie in ihrem Geschäftsmodell auf weniger Energieverbrauch umstellen können. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, warum sie dann bestimmte Produkte nicht mehr produzieren, zum Beispiel Kunstdünger. Es ist, glaube ich, dass energieintensive Produkt, was auf der Welt produziert wird. Es ist nicht ganz klar, warum das in Deutschland produziert werden muss. Es gibt da genug Fazilitäten irgendwo anders, in anderen Ländern auf der Welt. Und vielleicht sollten wir es importieren und nicht hier produzieren und stattdessen eine weniger energieintensivere Produktion haben. Das heißt, Unternehmen müssen ihr Geschäftsmodell überdenken, wie sie mit diesen höheren Energiepreisen umgehen. Gleichzeitig müssen sie überlegen: Wie können wir neue Quellen der Energie erschließen, also wie können wir auf erneuerbare Energien umstellen?

Und da sollten sich eigentlich die Grünen und Herr Habeck freuen, dass diese Krise dazu führt, dass das Unternehmen auch sehr stark tun, weil eben die Preise im Moment so sind, dass sie einen Anreiz haben, das zu tun. Und ich denke nicht, dass wenn man sie nicht daran hindert, das zu tun, wenn man sie nicht künstlich subventioniert, weiterhin hohe Energieverbräuche zum Beispiel subventioniert oder braune Energie subventioniert, wie man das leicht mal tut, weil man Angst hat vor Deindustrialisierung. Man sollte diese Preise zulassen, so dass die Unternehmen sich anpassen können, ihr Geschäftsmodell umstellen können und dann eben auch wieder zukunftsfähig werden.

Selbst große Konzerne wie Amazon bauen tausende von Stellen ab, obwohl sie Millionengewinne erwirtschaften. Wäre es sinnvoll, diese gesetzlich darin zu hindern?

Auf keinen Fall. Es wäre falsch, den Unternehmen zu sagen, wie sie ihre Beschäftigungspolitik betreiben sollen, wen sie einstellen sollen, wie viele Leute sie einstellen sollen. Das führt zu einer sehr unproduktiven Wirtschaft. Das führt zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit international. Es ist ja auch im Moment gar nicht so, dass der Arbeitsmarkt gekennzeichnet ist durch hohe Arbeitslosigkeit, sondern im Gegenteil. Wir haben das gegenteilige Problem. Alle Unternehmen suchen händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern und finden sie nicht. Und insofern denke ich, dass der Arbeitsmarkt im Moment ein sehr gutes Umfeld schafft. Diesen Übergang – in dem es temporär tatsächlich mehr Arbeitslosigkeit geben wird, aber wahrscheinlich gar nicht so viel – hin zu einer weniger intensiven Produktion, weniger Energieverbrauch, grünere Energie jetzt auch zu schaffen, ohne dass der Staat den Leuten im Einzelnen vorschreibt, wie viele Leute sie anstellen sollen und wie viel nicht und andere Dinge. Was nicht dazu führt, dass der Prozess billiger wird und auch nicht dazu führt, dass der Prozess schneller geht.

Eine Forderung, um der Rezession entgegenzuwirken, ist es, die Löhne zu erhöhen. Wie sinnvoll ist das?

Wir können jetzt sagen, alle Löhne sollten um 10 Prozent erhöht werden, weil die Inflationsrate 10 Prozent ist. Dann werden ja alle wieder so wie vorher verdienen. Bloß leider kriegen wir dadurch eben diese Inflation nicht weg. Also wenn wir die Löhne genauso stark erhöhen, wie die Inflationsrate ist, dann verstetigt sich die Inflation. Leider funktioniert eine Reduktion der Inflation nur über Nachfrage, also eine Reduzierung der Nachfrage. Und wenn wir die Löhne genauso erhöhen, wie die Inflationsrate ist, reduzieren wir ja die Nachfrage nicht. Die Leute können genauso viel kaufen wie vorher. Das heißt, wir kommen aus der Inflation nicht wirklich raus. Was dazu führen wird, dass die Zentralbank die Zinsen noch mehr erhöhen muss, als sie es ohnehin tut. Und das führt dann am Ende doch wieder zu einer Rezession und möglicherweise sogar einer größeren Rezession. Die Lohnabschlüsse, die jetzt in der Metallindustrie waren, die lagen bei 5 Prozent dieses Jahr, dann noch mal 3 Prozent nächstes Jahr – das ist schon vernünftig, weil das schon eine ordentliche Lohnerhöhung ist. Aber es ist eben deutlich weniger als die Inflation. Das heißt zum Teil tragen die Leute eben die höheren Kosten der Inflation, reduzieren damit ihren Konsum und damit geht die Inflationsrate runter. Und gleichzeitig über feste Zahlungen, Einmalzahlungen an niedrige Einkommen, wie diese 3.000 € und 1.500 € bei der Metallindustrie an nur niedrige Einkommen, schafft man es eben, dass die niedrigen Einkommen jetzt nicht im Kalten sitzen müssen und trotzdem einigermaßen ihren Lebensstil halten können. Aber es sind Einmalzahlungen, das heißt, sie sind nicht verstetigt und schlagen sich nicht in zukünftigen Löhnen wieder, sodass wir auch da eben einen Anpassungsprozess haben, hin zu niedrigen Inflationsraten.

Was glauben Sie, wie Sachsen-Anhalt durch die Krise kommen wird?

Sachsen-Anhalt ist natürlich besonders betroffen. Jedenfalls sehen die Sachsen-Anhaltiner das so, weil die Chemieindustrie traditionell eine besonders große Rolle spielt. Also wir hatten Leuna, Buna und Bitterfeld. Nun muss man aber auch sagen, dass diese Unternehmen, die da jetzt sind, ziemlich wenig zu tun haben mit den, ich sage jetzt mal Dreckschleudern, die da vorher waren. Also es sind ganz andere Arten von Unternehmen. Die Raffinerie in Leuna ist natürlich direkt betroffen, weil sie aus Öl Benzin macht, wie alle Raffinerien. Wenn man sich aber die wirtschaftliche Entwicklung anguckt, ist es nicht so, dass Sachsen-Anhalt jetzt deutlich mehr darunter leidet. Die Arbeitslosigkeit steigt nicht stärker und das ist auch, wenn man sich die vergangenen Krisen anschaut, in allen Krisen immer so gewesen. Sachsen-Anhalt ist weniger stark geschrumpft als der Rest von Deutschland, hat also sozusagen aufgeholt in der Krise. Und das hat mit dem höheren Staatsanteil und auch ein bisschen mit der Struktur der Wirtschaft zu tun. Aber insgesamt ist das auch jetzt wieder zu erwarten, dass der Rückgang des Bruttosozialprodukts weniger ist in Sachsen-Anhalt, aber auch dann das Wachstum nach der Krise wieder ein bisschen weniger ist, sodass sozusagen insgesamt ein bisschen weniger passiert, obwohl wir eine so starke Chemie Industrie im Land haben.