Seit 22 Jahren lehrt Prof. Dr. Eva Labouvie an der Universität die „Geschichte der Neuzeit mit dem Schwerpunkt der Geschlechterforschung“. Neben der Arbeit als stellvertretende Senatorin und als Mitglied zahlreicher Gremien hatte immer auch die Forschung einen großen Stellenwert in ihrem Arbeitsalltag. Am 28. Juni 2023, um 17:00 Uhr lädt sie gemeinsam mit dem Rektor und dem Dekan der Fakultät für Humanwissenschaften zu ihrer Abschiedsvorlesung ein. Welchen Projekten sich Prof. Dr. Eva Labouvie danach widmen und warum sie weiterhin an der Uni zu finden sein wird, erzählt sie im Interview mit der Volontärin der Pressestelle, Catherine Birke.
Frau Professorin Labouvie, was fasziniert Sie an der Geschichte der Neuzeit, so dass Sie Ihr gesamtes Berufsleben diesem Thema widmeten?
Meine Forschungsinteressen sind prinzipiell sehr breit gefächert und umfassen zum einen ein großes Spektrum an Themen der frühneuzeitlichen Kulturgeschichte und Historischen Anthropologie von der Stadt-, Adels-, Religions-, Kriminalitäts-, Umwelt- oder Wahrnehmungsgeschichte bis hin zur Medizin- und Körpergeschichte sowie der historischen und interdisziplinären Geschlechterforschung mit ganz unterschiedlichen Facetten bis in die Gegenwart. Diese Vielfalt erklärt sich zum einen durch meine große Neugier, mich mit neuen Fragestellungen und bisher nicht bearbeiteten Themen, also mit den Leerstellen und „schwarzen Löchern“ in der Vergangenheit, zu befassen. Zum anderen resultiert mein Interesse an der Geschichte aus meinem noch immer umfassenden Interesse an den Menschen, die die Vergangenheit mit ihrem Denken, ihren Mentalitäten, Praktiken und ihrem Handeln prägten und damit Geschichte machten, aber auch erklären helfen, warum unsere sozialen, politischen, mentalen, religiösen der ökonomischen und auch ökologischen Bedingungen sich bis heute so entwickelten und wandelten, wie wir sie kennen.
Gerade die universitäre Arbeit ist besonders vielschichtig und abwechslungsreich, eröffnet verschiedenste Möglichkeiten der Vermittlung von Wissen und der gesellschaftlichen Aufklärung über „Third Mission“, die ich alle ausgiebig genutzt habe, z.B. durch etliche, zum Teil vom Rektorat unterstützte Tagungen, mehrere Ausstellungen, das Schreiben von Aufsätzen und Büchern, durch Reihenherausgabe und eine Fülle von Vorträgen an Universitäten und Bildungseinrichtungen in ganz Europa und vor allem auch in Sachsen-Anhalt. Man kommt viel herum, lernt eine Menge sehr interessanter Menschen kennen, kann aber stets auch an den eigenen Schreibtisch zurückkehren, um intensiv zu forschen. Langeweile kenne ich nicht!
Lassen Sie uns einen kurzen Blick in die Vergangenheit werfen. Was waren Ihre wichtigsten Stationen?
Ich bin Saarländerin und habe an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken zunächst das Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien und danach meine Promotion zum Hexen- und Aberglauben in der Frühen Neuzeit abgelegt. Bis zu meiner Berufung nach Magdeburg war ich wissenschaftliche Leiterin der „Arbeitsstelle für historische Kulturforschung“ und der „Forschungsstelle für historische Regionalforschung“ sowie Assistentin am Lehrstuhl für Neuere Geschichte am Historischen Institut der Universität des Saarlandes bei Prof. Dr. Richard van Dülmen. 1995 erhielt ich den „Heinz-Maier-Leibnitz-Förderpreis des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie“, auf den ich sehr stolz bin, für das wissenschaftliche Fachgebiet „Historische Anthropologie“ und meine Untersuchungen zur Geschlechterforschung. Eine Lehrstuhlvertretung führte mich zwischenzeitlich an die Universität Basel, 1997 erfolgte dann die Habilitation mit einer Untersuchung zu Geburt und weiblicher Kultur (1500-1910) und der Venia Legendi für Neuere Geschichte und Landesgeschichte. Außerdem leitete ich ab 1992 den „Arbeitskreis für historische Anthropologie“ und war bis 2002 zunächst Koordinatorin des Saarlandes, danach Koordinatorin aller Neuen Bundesländer im bundesweiten „Arbeitskreises für Historische Frauen- und Geschlechterforschung“, dessen Vorsitz ich 2011 übernahm. Im April 2002 folgte ich nach einem Semester der Selbstvertretung dann dem Ruf nach Magdeburg.
Warum haben Sie sich für die Uni Magdeburg entschieden?
Magdeburg war für mich hochinteressant, weil ich durch die Doppeldenomination der Professur mit Geschichte und Geschlechterforschung meine beiden Forschungsschwerpunkte einbringen konnte und der Otto-von-Guericke-Universität zum damaligen Zeitpunkt vom Wissenschaftsrat vorgeschlagen worden war, an der gesamten Universität zur Steigerung der Attraktivität des Standortes fünf weitere Professuren mit Teildenomination Geschlechterforschung in anderen Disziplinen einzurichten – leider ist aus dieser famosen Idee nur meine Professur erwachsen, die es mit meiner Pensionierung nun nicht mehr gibt. Übrigens war meine Professur bislang die einzige, die an allen Hochschulen und Fachhochschulen des Bundeslandes Sachsen-Anhalt die Geschlechterforschung wenigstens mit der Hälfte eines Lehrstuhls vertreten hat!
Sie sind sehr engagiert in der Gremien- und Vereinsarbeit, warum ist Ihnen diese Arbeit wichtig?
Durch meine langjährige Tätigkeit im Fakultätsrat, als Vertreterin meiner Fakultät in der universitären Forschungskommission, in der Rektoratskommission für Gleichstellung und Diversity oder im Senat und durch zahlreiche Mitgliedschaften, abgesehen von den Berufsverbänden beispielsweise im „Historischen Vereins für die Saargegend“, in der „Historischen Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volkskulturforschung“ der saarländischen Landesregierung und der „Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt“, der „Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung“ oder der „Gesellschaft der Freunde und Förderer der Otto-von-Guericke-Universität“, bin ich sehr gut vernetzt und weiterhin stark eingebunden. Ich bin auch in zahlreichen Arbeitskreisen und Zusammenschlüssen aktiv, wobei mein besonderes Engagement derzeit meiner Arbeit im Vorstand der „Otto-von-Guericke-Gesellschaft“ und im „Kuratorium Friedensforum Johanniskirche 1631-2031“ gilt. Daneben koordiniere ich als Mitherausgeberin die Reihe „Studien zur Geschichte und Kultur Mitteldeutschlands“ beim Mitteldeutschen Verlag. Als „Botschafterin für Gleichstellung“, zu der ich 2016 durch den Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt ernannt wurde, gilt mein politisches Interesse weiterhin dem Einsatz für Gleichstellung und der Aufklärung über Ungleichheitsverhältnisse, weshalb ich auch als von der Landesrektorenkonferenz vorgeschlagenes Mitglied in den Beirat zum „Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt“ des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung berufen wurde.
Bleibt da noch Zeit für Hobbys als Ausgleich?
Ich bin passionierte Nordic Walkerin und Köchin, lese besonders gern Krimis und viele andere Bücher, verreise für mein Leben gern und bin Oma aus Leidenschaft.
Nach so vielen Jahren in Magdeburg: Gibt es einen Lieblingsort?
Den Dom und den Fürstenwall liebe ich ganz besonders, gleich danach die Wallonerkirche, in der ich letztens sogar bei einem Akademischen Gottesdienst, den der Evangelische Hochschulbeirat veranstaltet hatte, predigen durfte. Es gibt aber nicht nur einen Lieblingsort, gern bin ich auch im Herrenkrug und an der Elbe, die für mich einer der schönsten Flüsse Deutschlands ist.
Werden Sie auch nach Ihrer Abschiedsvorlesung noch an der Uni Magdeburg tätig sein?
Selbstverständlich! Ich betreue derzeit noch sechs Promovierende und zwei Habilitierende und leite seit November 2022 für drei weitere Jahre ein vom Wissenschaftsministerium Sachsen-Anhalt finanziertes Forschungsprojekt zur „Weiblichen politischen Partizipation in Sachsen-Anhalt“. Außerdem biete ich im Programm „Studieren ab 50“ wie bisher Lehrveranstaltungen an, etwa zusammen mit Prof. Dr. Mathias Tullner im Wintersemester 2023/24 eine Ringvorlesung zu “Weltsichten und Lebenswelten zur Zeit Otto von Guerickes. Das 17. Jahrhundert zwischen Krisen und Konfessionen, Absolutismus und beginnender Moderne“. Ich werde auch weiterhin Vorträge halten und mich besonders für die Regionalgeschichte engagieren. Und dann warten noch zwei Buchprojekte seit langen Jahren darauf, in Angriff genommen zu werden: Einmal eine große Studie zum Umgang mit Naturgewalten in der Geschichte, in die meine Abschiedsvorlesung einen ersten Einblick geben wird, und zum anderen eine Monographie zur Pest in Magdeburg 1681-1683, ein düsteres, aber äußerst spannendes Kapitel der Stadt- und Medizingeschichte.
Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft und haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Die Abschiedsvorlesung findet am 28. Juni 2023 um 17:00 Uhr im Gebäude 40, Raum 238 statt.