Als Anfang 2020 die Corona-Pandemie begann, war das für uns alle Neuland. Nicht nur die Kontaktbeschränkungen und Hygienevorschriften waren ungewohnt, sondern auch, dass man sehr regelmäßig Virologinnen und Virologen im Fernsehen sah, die plötzlich öffentliche Wissenschaftskommunikation betreiben mussten. Gemeinsam mit Kolleginnen der TU Darmstadt haben Prof. Dr. Kersten Sven Roth und Dr. Sina Lautenschläger von der Fakultät für Humanwissenschaften in dem von der Klaus Tschira Stiftung geförderten Projekt „Zwischen Elfenbeinturm und rauer See“ die Aufritte von Drosten, Streeck, Brinkmann und Co untersucht, genauer das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft, Politik und Massenmedien während der Pandemie. Im Interview spricht Dr. Sina Lautenschläger über die Ergebnisse und zeigt welchen Herausforderungen sich die Forschenden stellen mussten, wie Politik und Wissenschaft miteinander gerungen haben und welchen Einfluss Medien auf die öffentliche Wahrnehmung hatten.
Dr. Sina Lautenschläger (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)
Sie haben diverse Fernsehauftritte der Virologinnen und Virologen untersucht. Wie haben sich die Forschenden denn geschlagen?
Gute Frage. Das kommt natürlich immer auch darauf an, welche Kriterien man anlegt, um das zu bewerten. Und vielleicht hole ich noch mal zum Analysematerial ganz kurz aus: Wir haben unseren Fokus auf Fernsehauftritte gelegt, da haben Sie vollkommen recht. Insbesondere Polittalkshows haben dann unser Interesse geweckt, weil da die Akteursgruppen Wissenschaft, Politik und Medien sehr gut, also sehr intensiv, aufeinandergetroffen sind. Aber wir haben uns zum Beispiel auch Zeitungsartikel mit den und über die Wissenschaftler*innen angeschaut, aber auch Pressekonferenzen von Institutionen wie dem Science Media Center Germany, betrachtet, genauso wie Interviewschalten innerhalb des ZDF heute journals. Und da hat man schon gemerkt, dass es sehr darauf ankommt, in welchem Format die Wissenschaftler*innen aktiv sind und wie die Moderator*innen sich verhalten. Denn die Art, wie sie Fragen stellen und welche Fragen sie stellen, hat ganz erheblichen Einfluss auf den Verlauf des Gespräches.
Aber da wir uns ja auf Politiktalkshows fokussiert haben – wir haben im Zeitraum von Februar 2020 bis April 2021 die Daten erhoben –, konnte man schon feststellen, wie sich in der Interaktion in diesen Polittalkshows Veränderungen ergeben haben. Zu Beginn der Pandemie war auch das Verlangen nach grundlegendem Wissen der Bevölkerung, das ja repräsentiert wird durch die Fragen der Moderierenden, da: Wie sind Statistiken zu verstehen? Also wissenschaftliche Werkzeuge und Methoden mussten überhaupt erst mal erklärt werden. Und natürlich auch: Was ist das für ein Virus? Was kann das? Wie funktionieren Mutationen? Wie verbreitet sich das Virus? Das war zu Beginn, also im Frühjahr 2020, noch sehr vorherrschend. Im Laufe der Zeit, und so funktionieren halt die Medien und die Medienlogik und das ist auch noch so ein Knackpunkt, über den wir vielleicht noch sprechen werden, ging es immer mehr um Personen. Also es wurde das wissenschaftliche Wissen immer mehr an Einzelpersonen geknüpft und dadurch auch eine Teambildung suggeriert, was den Wissenschaftler*innen in der Summe nicht so gut gefallen hat und wo es dann im Laufe der Zeit sehr stark zu Frustrationsäußerungen gekommen ist. Also im April 2021 sind insbesondere die Sendungen mit Melanie Brinkmann, die sonst sehr sachlich und moderat aufgetreten ist, aufschlussreich; man kann da sehr deutlich ihre Gereiztheit und eine hitzige Stimmung vernehmen, was natürlich am gesellschaftlichen Klima generell liegt. Wir waren alle im Lockdown, wir haben das alle durchgemacht, aber es lag auch an der Frustration darüber, wie sowohl die Politik als auch die Medien mit der Wissenschaft umgehen. Also es war eine für alle sehr lehrreiche Zeit, die auch viel mit Frustration gekoppelt war.
Ein Ergebnis Ihrer Studien war, dass Politik und Medien mehr wollten als die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Welche Erwartungen hatten sie denn?
Das ist genau dieses Spannungsfeld, was so interessant ist und was sich in diesen Polittalkshows sehr gut niedergeschlagen hat. Also generell prallen drei grundverschiedene Logiken die aufeinander: Einmal die wissenschaftliche Logik, die aussagt: Ich habe Wissen gewonnen und ich möchte das vermitteln – das ist das Anliegen der Wissenschaft. Dann gibt es noch die politische und die mediale Logik: Politiker*innen in Polittalkshows nutzen diese natürlich als Plattform, das Anliegen der Politik ist immer: Gesehen werden, gemocht werden und gewählt werden. Und Medien wollen verkaufen. Denen geht es um Konsum, hohe Einschaltquoten. Und diese höheren Einschaltquoten erreicht man natürlich durch so hitzige Diskussion, durch Schlagabtausch, durch reißerische Schlagzeilen, die eben sehr, sehr komprimiert nur wissenschaftliche Wirklichkeit wiedergeben. Und da zeigte sich auch, dass die Wissenschaftler*innen vermutlich nicht so richtig gut drauf vorbereitet waren, dass das passieren würde.
Die Politik hat die Wissenschaft oder die wissenschaftliche Expertise dazu genutzt, um erklären zu können, warum Maßnahmen getroffen wurden und warum nicht. Das hat auch ein bisschen zu einer Verantwortungsverschiebung geführt und dazu, dass in der medialen Vermittlung solche Schlagzeilen kursierten: ‚Wer hat eigentlich das Sagen? Politik oder Wissenschaft?‘ Oder ‚Christian Drosten ist unser Schattenkanzler‘, also dieses geheime Machtgefüge, dass die Wissenschaft sozusagen insgeheim Deutschland regiert, das wurde so ein bisschen inszeniert oder konstruiert in den Medien. Das heißt also, die Politik hat natürlich wieder versucht, sich gut selbst darzustellen, das ist der Grund, warum die überhaupt ins Fernsehen gehen. Es geht ja nicht darum, das neue Wahlprogramm zu präsentieren, sondern die eigene Popularität zu sichern und auch Macht zu demonstrieren. Und die Medien lieben es, zu personalisieren und zu skandalisieren und Kontroversen zugespitzt oder sehr pointiert darzustellen. Weil sich das sehr gut verkauft oder dieses Gossip-Interesse erweckt. Und die Wissenschaftler*innen sind in diese Gemengelage reingekommen und dachten sich: ‚Hä, warum will niemand was über Virologie wissen?‘ Das war diese Erwartungshaltung, die auf sie eingeprasselt ist.
Warum hat denn die Politik die Verantwortung einfach an die Virologinnen und Virologen abgegeben?
Das war ein strategisch interessantes Spiel, was da stattgefunden hat. Das war zu Beginn der Pandemie besonders deutlich festzustellen, dass die Politiker*innen sich so ein bisschen hinter der Wissenschaft versteckt haben und gesagt haben: ‚Ja, wir wissen es doch auch nicht, wir müssen darauf warten, was die Wissenschaft uns rät‘. Aber das haben sie ein bisschen zu weit getrieben. Denn die Frage, ob Schulen geschlossen werden sollten oder nicht, das ist keine Frage an die Virologie. Das ist eine politische Frage oder auch eine wirtschaftsökonomische Frage. Also welche Lüftungsfilter können denn gekauft werden, um dann eine Schulpraxis oder eine Öffnung durchführen zu können? Und da hat die Politik so ein bisschen dieses Noch-nicht-Wissen über das Virus genutzt und hat die Wissenschaft dafür in den Schwitzkasten genommen, wo die Wissenschaft sich zu Recht gewehrt hat und immer wieder darauf hingewiesen hat: ‚Wir arbeiten so schnell es geht, aber das Virus ist neu und Forschung braucht Zeit.‘ Wissen fällt nicht vom Himmel.
Da hat es schon sehr viele Diskussionen gegeben über die Frage: Wer ist eigentlich verantwortlich? Beide Seiten haben dann immer und immer wieder betont: Die Wissenschaft berät und Politik entscheidet, und letztlich wurde dieses ‚sich hinter der Wissenschaft verstecken‘ dann auch relativ schnell wieder zurückgefahren. Es war immer so ein bisschen ein Schlingerkurs: Je nachdem wie es gut gepasst hat, oder wie es strategisch gepasst hat, hat man da Änderungen in der Argumentation feststellen können.
Zu Beginn hat Armin Laschet irgendwann gerade in Bezug auf Schulschließungen gesagt: ‚Ja, dieser Zickzackkurs, den wir jetzt in der Politik fahren, den müssen wir fahren, weil die Wissenschaft uns das sozusagen anrät.‘ Und die Medien haben daraufhin zu Recht die Frage gestellt: ‚Ja, wer hat denn jetzt eigentlich das Sagen? Also ist jetzt die Wissenschaft die Machthabende oder ist es noch die Politik?‘ Daraufhin hat dann wieder eine ganz klare Aufgabenverteilung stattgefunden, es hat eine ganz klare Abgrenzung gegeben zwischen Politik und Wissenschaft. Und die Politiker*innen haben ganz klar gesagt: ‚Wir entscheiden, wir entscheiden ganz eindeutig. Die Wissenschaft berät uns nur.‘ Es war keine konsistente Linie, die da gefahren wurde, sondern es war so ein kleiner Schlingerkurs, wo immer mal geschaut wurde: Okay, wie kann man jetzt, um in der Gunst der Wähler*innen zu bleiben, die Lage begründen ohne Fehler eingestehen zu müssen? Das ist in der Politik immer noch so ein viel diskutiertes Phänomen, inwiefern das Zugeben von Fehlern machbar und möglich ist.
Die Wissenschaftler*innen haben offen kommuniziert, dass sie auf manche Fragen noch keine Antworten geben können. Etwas, was die Türen für Verschwörungstheorien öffnen kann. Wie hätten sie das Unwissen besser kommunizieren können?
Das ist tatsächlich eine komplexe Frage. Wenn man es genau nimmt, haben sie alles richtiggemacht. Sie haben darauf verwiesen: ‚Hier gibt es einen blinden Fleck. Aber wir können diesen blinden Fleck identifizieren. Das heißt, wir wissen ganz genau, was wir noch nicht wissen. Und wir können diese Wissenslücke überwinden, indem wir weiter Forschung betreiben.‘ Das gibt einem ja schon eine Sicherheit, dass man weiß, dass wir es mit kompetenten Forschenden zu tun haben, die ihr Handwerk verstehen. Alle Personen, die wir in unserem Korpus untersucht haben, sind eigentlich unisono so verfahren, dass sie gesagt haben: ‚Das und das wissen wir noch nicht, aber wir wissen das und das, und damit können wir arbeiten.‘ Es wurde im Prinzip gar nicht defizitär auf dieses Nichtwissen hingewiesen, sondern gezeigt, dass es zum Forschungsprozess dazugehört. Wissen fällt nicht vom Himmel, sondern muss erarbeitet werden. Und diese Arbeit braucht eben Zeit.
Was den Umgang mit Nichtwissen oder Noch-nicht-Wissen angeht, kann man auch die Rolle der Medien kritisch hinterfragen, denn da zeigt sich wieder diese mediale Logik, dass genau solche reißerischen Schlagzeilen oder Verunsicherungsschlagzeilen sich gut verkaufen. Und in den Medien wurde dann schon sehr häufig gefragt: ‚Ja, heute so, morgen so, worauf ist überhaupt noch Verlass?‘ Dadurch wurde diese Unsicherheit sehr stark akzentuiert in verschiedenen Medien – also nicht durchweg, das kommt auch immer drauf an, welches Medium oder welchen Verlag man sich jetzt genauer anschaut. Aber es ist schwierig zu sagen, was die Wissenschaftler*innen hätten anders oder besser machen können, weil dieser offene Umgang eigentlich genau das ist, was gute Wissenschaftskommunikation auszeichnet.
Sie hatten die Berichterstattung in den Medien angesprochen. Wurde denn dadurch die Glaubwürdigkeit von Politik und Wissenschaft noch mehr in Frage gestellt?
Wenn man sich mal überlegt, dass alles, was wir als normale Bürgerinnen und Bürger, die nicht in der Politik oder in der Forschung tätig sind, über Corona wissen, wissen wir über und durch die Medien. Und wir haben ein sehr weites Medienspektrum in Deutschland. Das ist in einer Demokratie auch gut. Aber wegen dieser medialen Logik wurde viel auf Verunsicherung hingearbeitet. Und das ist etwas, was man schon kritisch betrachten und auch medienethisch prüfen kann, wie genau damit umgegangen wurde.
Sie hatten es ganz am Anfang erwähnt: Virologinnen und Virologen haben irgendwann die Medien und auch Politik öffentlich kritisiert. War das denn richtig? Hatten sie das Recht dazu?
Prinzipiell hat jeder das Recht dazu, sich zu äußern oder zu monieren, wenn einem der Umgang mit einem selber nicht gefällt. Aber man kann einem Pferd auch nicht vorwerfen, dass es ein Pferd ist. Das heißt, dass alle drei Akteursgruppen, also sowohl Politik als auch Medien als auch die Wissenschaft an ihren Logiken und Routinen festgehalten haben und jeder wollte seinen Anspruch oder seine normativen Vorstellungen durchsetzen. Und das hat dann eben dazu geführt, dass die Wissenschaftler*innen auch immer wieder betont haben, was das Wesen der Wissenschaft ist. Und das ist etwas, was man positiv hervorheben sollte: Wir haben ja nicht nur etwas über das Virus als solches gelernt oder wie Corona sich verbreitet und was für Schäden es anrichtet, sondern wir haben auch unheimlich viel darüber gelernt, wie Naturwissenschaften funktionieren.
Es wurde dabei immer wieder gesagt: ‚Fehler müssen gemacht werden. Nichtwissen ist notwendig für den Forschungsprozess, um dieses Nichtwissen zu überwinden.‘ Aber das ist sozusagen in der politischen Logik und der medialen Logik untergegangen. Also ich will jetzt nicht sagen, dass es denen egal war, aber alle drei Gruppen haben an dem, was sie machen wollen, festgehalten: Medien wollen verkaufen, Politik will gewählt werden und Wissenschaft wollte Wissen vermitteln. Und gerade weil dieses Verhältnis ein bisschen ungewohnt ist, mit diesen Diskurslogiken, gibt es ja eigentlich auch eine eigene Sparte, den Wissenschaftsjournalismus, der nämlich gezielt das wissenschaftliche Wissen abfragt und nicht so sehr personalisiert oder dramatisiert, aber eben auch nicht so hohe Einschaltquoten hat und nicht so viel verkauft und deswegen weniger Menschen erreicht. Man kann sagen, alle beteiligten Parteien haben im Prinzip an dem, wie sie in die Sache reingegangen sind, auch festgehalten und es gab Abreibungsmomente, wo man sich aber auch angenähert hat. Aber im Großen und Ganzen hat man dann doch gemerkt: Alle wollen das so durchziehen, wie sie gestartet sind. Und so kam es dann eben auch zu diesen Frustrationsäußerungen seitens der Wissenschaft, dass man eben gesagt hat: ‚Das geht so nicht, die Medien können so nicht arbeiten und die Politik hat einfach nie auf uns gehört.‘ Es ist gegen Ende schon – Verzweiflung ist zu viel gesagt – ,in eine sehr brüskierte Richtung gegangen.
Waren denn Virologinnen und Virologen insgesamt einfach zu schlecht vorbereitet auf ihre plötzlich öffentliche Rolle? Und wenn ja, wie kann das dann in Zukunft geändert werden?
Wie das zukünftig geändert werden kann, daran sitzen wir tatsächlich noch. Wir erarbeiten gerade Handreichungen, sodass wir für die Problemfälle, die wir gefunden haben, so eine Art Checkliste erarbeiten und zeigen, wo das Problem ist und wie man dieses Problem umgehen oder lösen könnte. Das möchten wir jetzt noch als Abschluss des Projektes nochmal in Gang bringen. Die Forschung, die wir betrieben haben, hat schon gezeigt, dass sie nicht so medienkompetent in dem Sinne waren, weil sie mit so einer leichten Naivität in die in die Pandemie gestartet sind und dachten: ‚Ach, ich erkläre hier etwas über Wissenschaft und über das Virus.‘ Aber das ist im Laufe der Zeit immer weiter in den Hintergrund getreten und die Wissenschaftler*innen mussten zusehends feststellen: Es geht nicht darum zu erklären, wie Wissenschaft und wissenschaftliche Forschung funktioniert, sondern die Öffentlichkeit interessiert, welche gesellschaftlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Also wie betrifft mich das persönlich, was die herausgefunden haben? Und darauf waren die Wissenschaftler*innen nicht ganz so vorbereitet. Damit meine ich diese generellen Reflexionen darüber, in welcher Rolle oder in welchem Rollengemenge sie auftreten. Denn gerade die Talkshows sind ein ganz spezielles Format und da geht es eben nicht nur darum, wissenschaftliche Expertise zu vermitteln, sondern da wird auch gefragt: ‚Sie haben selber zwei Kinder. Würden Sie denn jetzt einen Kaffee trinken gehen in einem Café, in einem Hochinzidenzgebiet?‘ Also solche personalisierten Fragen, die eher zum Beispiel auf die Mutter- oder Vaterrolle abheben und gar nicht so sehr auf die Expert*innenrolle – auf diese Gemengelage aus Politik, Medien, Wissenschaft und Privatperson waren sie anscheinend zu Beginn noch nicht so ganz vorbereitet. Zum Beispiel Hendrik Streeck hat das im Laufe der Pandemie auch noch mal reflektiert und dann öffentlich gesagt, dass er Mediencoaching bekommen hat, weil diese massenmediale Präsenz sehr viel erfordert hat.
Was wir aus dem Projekt heraus sagen können, ist erst mal relativ allgemein der Hinweis, sich immer Gedanken darüber machen: ‚In welches Format gehe ich eigentlich?‘ Also gehe ich auf eine Pressekonferenz oder gehe ich in eine Polit-Talkshow? Und wie funktionieren diese Formate? Und wenn man das dramaturgische Grundgerüst dieser einzelnen Formate kennt und sich bewusst macht, dann ist man auch vorbereitet oder kann sich strategisch vorbereiten. Also nicht auf einzelne Fragen, das ist dann immer zu individuell und spontan. Aber es ist strategisch vorbereitbar. Und genau das versuchen wir als Quintessenz aus unserer Forschung mitgeben zu können.
Absolute Transparenz scheint bei der Wissenschaftskommunikation nicht funktioniert zu haben. Was ist denn jetzt die Lösung?
Es ist immer schwierig, das zu verallgemeinern, weil diese Transparenz, also insbesondere auch bezogen auf Grenzen und Nichtwissen, ist eigentlich wirklich etwas, was ein hohes Gut in der Wissenschaftskommunikation ist. Also man soll nie etwas verbergen, man soll nicht unbegründet Hoffnung schüren, aber auch nicht dramatisieren und nicht zu einer Verunsicherung beitragen, sondern möglichst evidenzorientiert, sachorientiert und moderat die Faktenlage darstellen. Aber gerade das hat ja – Sie hatten es vorhin schon angesprochen mit ‚Tür öffnen zu Verschwörungstheorien‘ –, gerade diese Transparenz hat ja durchaus in der medialen Aufbereitung dann auch zu einer starken Verunsicherung geführt. Eigentlich müsste man sagen: Alles richtig gemacht, weiter so. Aber dazu wäre vielleicht auch noch mal der mediale Umgang zu hinterfragen. Dieses Credo „Weiter so“ ist auch dahingehend gemeint, dass die Wissenschaftler*innen immer wieder klar gemacht haben, wie Wissenschaft funktioniert. Und je mehr die Öffentlichkeit verstehen kann, dass ein Ausprobieren, trial and error, nötig ist, das Wissen von gestern auch manchmal überholt wird, wenn es einen neuen Bakterienstamm oder so was gibt, dass sich dadurch etwas ändern kann. Je mehr also bekannt ist, wie Wissen generiert wird, wie Wissen gewonnen wird, desto weniger vertrauenserschütternd wäre es, wenn man sagt: ‚Ja, vor drei Tagen war es so, aber jetzt wissen wir es besser, weil wir neue Ergebnisse haben.‘ Also je mehr geschulter Umgang in der Öffentlichkeit mit wissenschaftlicher Forschung oder in dem Fall mit naturwissenschaftlicher Forschung stattfindet, desto weniger verunsichernd ist es, weil man eben weiß, wie es funktioniert . Und umso weniger muss man sich fürchten. Das ist aber weniger etwas, was an Wissenschaftskommunikation gerichtet ist, und mehr an das allgemeine Umfeld. Es ist noch ein weiter Weg. Und ja, es bedarf, glaube ich, generell einer größeren Sichtbarkeit von Wissenschaftler*innen aller Art, also es müssen ja nicht immer nur die Naturwissenschaften sein, um eben diesen Werdegang und diese Genese von Wissen zugänglicher zu machen.